Der Stammtisch der Überlebenden
In den vierziger Jahren rief Oskar Maria Graf zusammen mit anderen deutschsprachigen Auswanderern in New York einen Stammtisch ins Leben, an dem sich nahezu wöchentlich jeweils am Mittwochabend dem Holocaust Entkommene versammelten; dieser Stammtisch existiert bis heute. Zu Gast bei Alfred Biolek sind einige der ältesten Mitglieder dieses Stammtischs: Hilde Olsen, geboren in Berlin und in ihrer Jugend Anhängerin Leo Trotzkis, wurde nach der Denunzierung durch einen Genossen von der Gestapo verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat ins Zuchthaus eingewiesen. Irrtümlich auf freien Fuß gesetzt, wurde sie als Jüdin abermals von der Gestapo aufgegriffen und in polnische Arbeitslager gebracht. Von Fabrikant Oskar Schindler wurde sie als Sekretärin eingestellt - auf Schindlers Liste hatte sie sich eigenhändig gesetzt. Nach der Befreiung durch die Rote Armee wanderte sie über Schweden nach New York aus. Ihr Ehemann Alex Olsen, eigentlich Werner Schmidt, war in einem Berliner Arbeiterhaushalt aufgewachsen. In den ersten Jahren des sogenannten Dritten Reiches als Trotzkist im Untergrund tätig, ging Olsen 1936 über England und Frankreich nach Mexiko, wurde dort im Hause Trotzkis Hausmeister, Leibwächter, Mädchen für alles; vor Trotzkis von Stalin befohlener Ermordung wanderte er nach New York aus, war als US-Soldat während des Zweiten Weltkriegs in Afrika und Kleinasien. Leo Glückselig, Jude aus Wien, konnte nach einem ersten, mißglückten Fluchtversuch nach der sogenannten Reichskristallnacht schließlich mit Unterstützung eines amerikanischen Bürgen im Winter 1938/39 legal nach New York auswandern. Glückselig war während des Zweiten Weltkriegs als US-Soldat in Frankreich und Deutschland.
- 18.05.1998 10.00, Hessen 3, Boulevard Bio