Deutsch - die verhunzte Sprache?
Der moderne Deutsche hoppt von Meeting zu Meeting, unterbricht kurz für den Lunch, surft im Internet, geht auf Afterwork-Parties oder diversen Outdoor-Activities nach und relaxt im Wellness-Bereich oder zu Hause im Home-Dress als couch-potato beim Zappen. "Denglisch" heißen die Wort-Neuschöpfungen, die englisch klingen, ein Mischmasch aus deutscher Grammatik und englischen Wörtern sind und sich in der letzten Zeit inflationär vermehrt haben. Sehr zum Leidwesen einer wachsenden Zahl von Sprachschützern, die inzwischen gar gesetzliche Regelungen zum Schutz der deutschen Sprache fordern. Steuern wir scheinbar unaufhaltsam und mit bedrohlich wachsender Geschwindigkeit auf den Untergang der deutschen Sprache zu? Oder bereichern und beleben Anglizismen und andere Entlehnungen unseren Sprachschatz und beweisen, dass die Sprache lebendig ist? Sind immer mehr Menschen, die nicht mit dem Englischen vertraut sind, in Gefahr, ihre eigene Sprache nicht mehr zu verstehen? Oder erweitern neue Wörter den geistigen Horizont? Gibt es in der Zukunft vielleicht verschiedene deutsche Sprachen oder Sprechweisen? Und wie will man eine Sprache überhaupt gesetzlich schützen? Darüber diskutiert Wieland Backes mit seinen Gästen. Dr. Hellmuth Karasek hält einen gesetzlichen Sprachschutz für blanken Unsinn. Für den bekannten Literaturkritiker, Schriftsteller und Herausgeber des Berliner "Tagesspiegel" sind Anglizismen und die Aufregung darüber eine Modeerscheinung, vergleichbar denen über lateinische und französische Einflüsse in vergangenen Jahrhunderten. Dass das Deutsche offen ist für internationale Einflüsse, hält er nicht für verkehrt und vertraut ansonsten auf die Selbstregulierung der Sprache. Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik hat den "Verein deutsche Sprache" gegründet und es sich zur Aufgabe gemacht, gegen die Flut von Anglizismen anzukämpfen. Krämer und seine Mitstreiter fordern Bußgelder für das "pseudokosmopolitische Imponiergefasel der modernen Sprachverhunzer". Gisela Klann-Delius, Professorin für Linguistik, ruft zu mehr Gelassenheit in der Debatte auf. Sprache als lebendiger Organismus ist für sie eine immer neu getroffene Übereinkunft verschiedenster Kommunikationspartner. "Die Sprache rein halten" erinnert sie stark an Deutschtümelei. Tom Fabris ist einer der "creative heads" der Kult-Werbeagentur "Zum goldenen Hirsch". Seine Kundschaft fordert, ganz anders als Krämers Vereinsmitglieder, eine peppige Werbung. Und die ist in ihren Augen am peppigsten, wenn sie möglichst Englisch klingt. Barbara Hartmann ist "Head-Hunterin" und Management-Beraterin in München und redet beruflich überwiegend in englischer Sprache. Das ist in internationalen Unternehmen wie ihrem üblich. Auch in ihre Alltagssprache fließen mittlerweile immer mehr englische Ausdrücke ein. Sie findet das im Zeitalter der Globalisierung ganz normal. Michel Mercier sieht als Franzose, Direktor des Institut Francais in Freiburg und Liebhaber des Deutschen mit Schmerzen dem Verfall der deutschen Sprache entgegen. Die Anglizismenflut verdrängt seinem Empfinden nach die reiche Sprache der Philosophie und der großen Literatur. Er schlägt einen Sprachschutz per Gesetz vor. Laurenz Meyer, CDU-Generalsekretär, findet, man solle erst einmal richtig Deutsch sprechen, bevor man mit Anglizismen um sich wirft. Trotzdem ist er kein Befürworter eines Sprachschutzgesetzes. Allerdings kann er sich eine Stärkung des Verbraucherschutz gut vorstellen, so dass alle Bedienungsanleitungen und Verbraucherinformationen auf Deutsch geschrieben sein müssen. Jessica Schwarz interviewt für "Viva" und die Internet-Ausgabe von "Wetten dass" die internationalen Stars und wechselt mühe- und ansatzlos wieder ins Deutsche. Seit einem Jahr moderiert die 23-Jährige. Dass sie auch in ihren deutschen Moderationen viele englische Wörter und Redewendungen benutzt, findet sie "echt okay".
- 06.04.2001 21.45, SWR, Nachtcafé
- 23.08.2001 10.45, 3SAT, Nachtcafé