Tod und Sterben - Vom Umgang mit einem Tabu
Der Tod ist ein gesellschaftliches Tabuthema. Gestorben wird schon lange nicht mehr daheim im Kreise der Familie, sondern zu 80 Prozent hinter den verschlossenen Türen der Krankenhäuser. In Würde sterben, Sterbende begleiten, Trauer zulassen - das alles setzt die Auseinandersetzung mit dem Tod voraus. Wie gehen die Menschen mit ihrer Sterblichkeit und mit der Angst vor dem Tod um? Welchen Trost, welche Hilfe gibt es für diejenigen, die Angehörige verlieren? Gibt es Möglichkeiten, sich auf den Tod vorzubereiten und die Angst zu bewältigen? Wie viel gedanklichen Raum sollte man dem Tod einräumen? Darüber diskutiert Wieland Backes mit seinen Gästen: Jessica Stockmann: Die Ehefrau von Tennisspieler Michael Stich verlor ihre erste große Liebe Michael Westphal durch eine "heimtückische Virusinfektion". Erst zehn Jahre nach seinem Tod teilte sie der Öffentlichkeit mit, dass es sich dabei um die tabuisierte Krankheit Aids handelte. Die unausweichliche Auseinandersetzung mit dem Tod hat die Schauspielerin nachhaltig geprägt. Nicht zuletzt deshalb hat die inzwischen zur UNO-Ehrenbotschafterin ernannte Stockmann mit ihrem Ehemann eine Stiftung gegründet, die HIV-betroffene Kinder unterstützt. Dieter Steuer: "Wenn die Kinder vor den Eltern sterben, dann ist die natürliche Ordnung aufgehoben." Diese Extremerfahrung musste er machen, als 1994 sein 17-jähriger Sohn an Leukämie starb. Weil er am eigenen Leib erfahren hat, welches Beratungsdefizit bei solchen Trauerfällen besteht, gründete der Familienvater den Verein "Trauernde Eltern". Heidelinde Weis: Nach fast 40-jähriger Ehe hat die Schauspielerin 1998 ihren Mann verloren, der nach einer Gehirnblutung zehn Jahre lang ein Pflegefall war. In dieser Zeit machte sie sich rar auf dem Bildschirm, bewältigte Kummer und Sorgen meist alleine, "denn eigentlich geht man damit ja jedem auf die Nerven". Trotz schwerer Zeiten hat sie ihre positive Einstellung nicht verloren - der Tod gehört für sie ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Katja Doubek: Über den Wandel im Umgang mit dem Tabu weiß die Autorin und Psychotherapeutin Bescheid. "Wir haben ein verkorkstes Verhältnis zum Tod und Sterben", sagt sie. Der Tod werde in der heutigen Gesellschaft zunehmend aus dem Bewusstsein verdrängt. Dass die Gesellschaft aber trotz aller Tabuisierung ein bizarres Interesse am Thema hat, belegen für die Autorin des "Lexikons merkwürdiger Todesarten" auch die lustigsten Todesfälle der Welt des so genannten "Darwin Awards". Christopher Beyer: Er wusste genau, wann der Todestag seiner Mutter sein würde. Der 1. Oktober 1999 war der Tag, an dem Maria Ohmberger mit Hilfe der Schweizer Sterbehilfeorganisation "Dignitas" ihrem Krebsleiden ein Ende setzte. Ihre Kinder haben sie auf ihrem letzten Weg begleitet, der Sohn ist noch heute voller Bewunderung für den würdevollen Abgang seiner Mutter. Eugen Brysch: Der Vorsitzende der Deutschen Hospiz-Stiftung hält die "Todespille" für ein höchst fragwürdiges Mittel, mit dem sich Todkranke kostengünstig und bequem "entsorgen" lassen können. Er macht sich stark für mehr Rechte und die Würde Todkranker und stemmt sich damit gegen eine soziale Kälte. Ilse Grünewald: Sie gründete vor drei Jahren mit ihrer Partnerin Sigrun Baum ein Bestattungsunternehmen der anderen Art. Die letzte Gelegenheit Abschied zu nehmen, soll so gestaltet werden, wie es für die Angehörigen tröstlich ist: Sie können bei ihren Toten verweilen und Feste feiern, Kinder können Särge bemalen. Ilse Grünewald ist es wichtig, mit ihrem Haus eine Normalität zu schaffen, in der alle Seiten des Lebens ihren Platz haben.
- 23.11.2001 21.45, SWR, Nachtcafé
- 30.03.2002 15.15, SWR, Nachtcafé
- 25.04.2002 10.15, 3SAT, Nachtcafé
- 28.02.2003 22.00, SWR, Nachtcafé
- 01.03.2003 08.45, SWR, Nachtcafé