Was man nicht vergessen kann ...
Für Goethe war das Vergessenkönnen eine "Gottesgabe". Und auch heute hat man den Eindruck, dass das Operettenmotto "Glücklich ist, wer vergisst" gerne beherzigt wird. Das Leben im Hier und Jetzt befreit. Erst wenn die vergangenen Sorgen losgelassen werden, steht einem die Zukunft offen. Doch nur allzu oft schlägt uns die Erinnerung ein Schnippchen und die Gedanken schweifen in die Vergangenheit. Manche Erinnerung an ein schreckliches oder lebensbedrohliches Erlebnis, an eine Fehlentscheidung oder an eine folgenreiche Tat kann ein ganzes Leben überschatten. Ebenso prägt sich ein beglückender Moment wie die Geburt eines Kindes besonders ein. In jedem Fall wird die Erinnerung an besondere Lebensdaten Teil unserer Identität. Allerdings hat die Forschung in den letzten Jahren neue Nachweise dafür erbracht, dass unser Gedächtnis die Wirklichkeit nicht objektiv abbildet, sondern je nach Stimmung, Kontext und Bedeutsamkeit bewertet. Und wie wir uns erinnern, beeinflusst unsere Selbstwahrnehmung. Das Rekonstruieren der zurückliegenden Lebensabschnitte und Ereignisse macht es möglich, dass sich unser Selbstkonzept weiterentwickelt und wir uns verändern können. Wie wurden wir, was wir sind? Welchen Umgang pflegen wir mit der Erinnerung und welchen Stellenwert räumen wir ihr ein? Wie tief können traumatische Erlebnisse in unser Leben eingreifen? Gibt es Wege mit schlimmen Belastungen fertig zu werden?
- 02.05.2003 22.00, SWR, Nachtcafé
- 03.05.2003 08.45, SWR, Nachtcafé