Existenzängste und Vertrauensverlust - Die neue Sehnsucht nach dem Glauben
Brückenbauer, charismatischer Botschafter des Glaubens, historische Persönlichkeit der Weltgeschichte: Katholische und evangelische Kirchenführer und Politiker in Deutschland haben Papst Johannes Paul II. gleichermaßen gewürdigt. In Predigten und Stellungnahmen zum Tode des Pontifex wurde immer wieder besonders der Einsatz des Papstes für die Verständigung zwischen den Konfessionen und seine Rolle beim Zusammenbruch des Kommunismus betont. George W. Bush, Fidel Castro, selbst Vertreter des Islam und des Judentums bezeugten ihre Hochachtung für den toten Papst. In Rom reißt unterdessen der Pilgerstrom nicht ab. Schätzungen zufolge sind bereits eine Million Menschen eingetroffen. Zum größten Papst-Begräbnis der Geschichte an diesem Freitag werden bis zu vier Millionen Menschen erwartet. Hunderttausende harren weiterhin in einer kilometerlangen Schlange vor dem Petersdom aus, um dem Papst die letzte Ehre zu erweisen. Gläubige können den aufgebahrten Leichnam von Johannes Paul II. noch bis zum späten Donnerstagabend sehen. Auch viele junge Menschen traf die Nachricht vom Tod des Pontifex tief, war dieser doch für seinen "guten Draht" zur Jugend bekannt. Der Papst ein Popstar, eine Medienikone? Es gibt diese Vergleiche, weil der Mann aus Krakau geradezu professionell die Öffentlichkeit gesucht und auch für seine Kirche instrumentalisiert hat. Auf seinen zahllosen Auslandsreisen gelang es ihm ganz spielerisch, Massen im Glauben zu vereinen. Theologische Kritiker von Johannes Paul II. haben darin nicht selten einen inszenierten Personenkult gesehen. Der Glaubwürdigkeit seines Lebens und schließlich auch seines Sterbens hat das nicht geschadet. Ist der Papst nicht gerade wegen dieser Glaubwürdigkeit für viele Millionen Menschen, die sich heute vor dem Toten verneigen, zum Anker geworden? Zum Anker in einer Welt von Orientierungslosigkeit und bislang unbekannten Herausforderungen? Unterdessen kommt die Diskussion über einen Nachfolger immer mehr in Gang. Auch deutsche Politiker und Geistliche haben die katholische Kirche mit Blick auf deren Zukunft zu mehr Reformbereitschaft aufgefordert. Im Mittelpunkt steht der Wunsch, die Rolle der Frauen zu stärken. Welche Rolle spielt der Glauben in unserer Angstgesellschaft? Was stillt die neue Sehnsucht nach Sinn? Warum vertraut die Jugend auf den Papst? Braucht unsere Gesellschaft neue Vorbilder? Kommt nun die Rückkehr der Religion? Was können Kirchen leisten? Diese und andere Fragen diskutiert Maybrit Illner am Donnerstag bei "Berlin Mitte" mit ihren Gästen.
- 07.04.2005 22.15, ZDF, Berlin Mitte
- 08.04.2005 17.35, Phönix, Berlin Mitte