Die gastfreundlichen Deutschen?
"Die Welt zu Gast bei Freunden" lautet das Motto der Fußball-WM. Doch angesichts von Überfällen auf Menschen, die nicht deutsch aussehen - wie jüngst im Osten - und einer stetig wachsenden Ablehnung von Ausländern in unserer Gesellschaft darf man Zweifel haben, wie es um die deutsche Gastfreundschaft steht. Während offizielle Stellen Deutschland als Urlaubsland propagieren, ziehen viele skeptisch eine Augenbraue hoch, wenn es um die Dienstleistungsbereitschaft im Land geht: "Ham' wa nich', kenn' wa nich', krieg'n wa och nich' rein" hört man nicht nur in Berlin. Dafür werden rund um deutsche Stadien so genannte "Verrichtungsboxen" aufgestellt, in denen Prostituierte ihre Dienste anbieten. Sind wir gute Gastgeber? Wie steht es um unsere Gastfreundschaft? Wie gehen wir in Deutschland mit Fremden um? Kann uns die WM einen positiven Schub geben? Und wie sehen uns die Anderen? Die Gäste: Als Stars der volkstümlichen Musik kennen die Geschwister Hofmann Deutschland wie ihre Westentasche. Das Gesangsduo wehrt sich dagegen, dass das eigene Land schlecht geredet wird. Aber auch sie müssen feststellen: "In Sachen Gastfreundschaft gibt es regionale Unterschiede und einen großen Unterschied zwischen Stadt und Land." Ein leidenschaftliches Plädoyer für Deutschland hält Florian Langenscheidt in seinem Buch "Das Beste an Deutschland". Ob einzelne Persönlichkeiten, typisch deutsche Eigenschaften oder schöne Landschaften - für ihn gibt es vieles worauf wir Deutschen stolz sein können. "Wir machen es unseren Gästen leichter, Deutschland zu lieben, wenn wir es selbst tun." Seit die Kamerunerin Veye Tatah 1991 zum Studieren nach Deutschland kam, erlebt sie die geballte Unfreundlichkeit der Deutschen: Beschimpfungen und Diskriminierungen gehören zu ihrem Alltag. "In Deutschland scheitert die Integration von Ausländern zu einem großen Teil an der mangelnden Gastfreundschaft." Der Name allein genügte schon, um angepöbelt zu werden: Tamas Blenessy musste bereits in seiner Schulzeit in Brandenburg ausländerfeindliche Sprüche ertragen, obwohl er Deutscher ist. Grund genug für den Sohn eines Ungarn sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus zu engagieren. Letztes Jahr wurde er deshalb selbst Opfer rechter Schläger: "Ich kann verstehen, dass viele Ausländer pure Angst in Deutschland haben." Auch Jürgen Roth, Journalist und Schriftsteller, sieht das Gastgeberland Deutschland kritisch: Gartenzaunmentalität statt Weltoffenheit, Engstirnigkeit statt Toleranz - die ganzen alten "Tugenden", an denen auch noch so flotte Imagekampagnen nichts ändern können. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen ihr schlechtes Image in der Welt während der WM grundsätzlich aufpolieren." Doch auch das gibt es in Deutschland: die Lehrerin Mechthild Niesen-Bolm hat gemeinsam mit einer Kollegin und Schülern gegen die Abschiebung der bosnischen Familie Ristic gekämpft. Ihr Engagement zahlte sich aus, heute lebt die Familie wieder gemeinsam in Berlin. Und Mechthild Niesen-Bolm erreichte noch mehr: "Bei den Politikern haben wir zu einem Umdenken beigetragen und konnten noch weitere Abschiebefälle verhindern". An der Bar: Dominik Schmidt ist einer der Hoteliers, die besten Service für die ausländischen Gäste bei der WM bieten wollen. Deshalb hat er an der nationalen Service- und Freundlichkeitskampagne teilgenommen und ist nun zertifizierter "Weltmeister der Gastfreundschaft". Während der WM beherbergt er die tunesische Nationalmannschaft, auf die sich sein Hotel bestens vorbereitet hat. "Die Krönung der Gastfreundschaft ist, wenn ein Gast sich zu Hause fühlt."
- 09.06.2006 22.00, SWR, Nachtcafé
- 10.06.2006 00.15, Hessen 3, Nachtcafé
- 10.06.2006 08.40, SWR, Nachtcafé