Sehnsucht nach Freiheit
Für jemanden, der im Knast sitzt, ist klar was Freiheit bedeutet. Und die meisten verstehen unter "Freiheit" vor allem die äußere Freiheit, also frei zu sein von Zwängen, äußeren Bestimmungen und Einflüssen, um sich völlig unabhängig und selbstbestimmt z.B. in ein Abenteuer zu stürzen. Doch es gibt auch andere Lesarten: Für manche ist vor allem die innere Freiheit entscheidend - das kann beispielsweise bedeuten in ein Kloster zu gehen, um der materiellen Welt eine innere geistige Freiheit entgegen zu setzen. Einige fühlen sich eingeengt in ihrem Job und wollen aussteigen. Oft steht dabei die Verantwortung, die man z.B. dem Partner oder den Kindern gegenüber hat, dem Wunsch nach Freiheit entgegen. Was ist stärker? Wann muss man seiner Sehnsucht nach Freiheit nachgeben? Und was bedeutet letztlich die wirkliche Freiheit? Wieland Backes diskutiert im Nachtcafé zum Thema "Sehnsucht nach Freiheit" am Freitag, 22. Juni 2007, im SWR Fernsehen unter anderem mit Nina Ruge. Zwangsarbeit, Hungerstrafe, Drill - Klaus Schnellenkamp wurde in die berüchtigte Sekte Colonia Dignidad hineingeboren, in der körperliche und seelische Folter unter dem pädophilen Sektengründer Paul Schäfer auf der Tagesordnung stand. Schon im Alter von fünf Jahren begann Schnellenkamps Martyrium mit Prügeln, spätere Fluchtversuche wurden mit Auspeitschungen und Elektroschocks bestraft. Vier Tötungsversuche überlebte er, vor zwei Jahren gelang ihm die Flucht aus der Festung in Chile. "Sehnsucht nach Freiheit verbinde ich mit Sehnsucht nach Liebe, nach Würde, nach Familie. All das hatte ich 32 Jahre nicht." Auch Andrea Finke weiß, was es heißt, eingesperrt zu sein. Sieben lange Jahre saß sie im Knast, weil sie ihren Vergewaltiger getötet hatte. Am Anfang wäre die ehemalige Krankenschwester und alleinerziehende Mutter in Haft fast zugrunde gegangen. Doch mit der Zeit arrangierte sie sich mit dem Leben auf acht Quadratmetern. Paradox, aber wahr: Sie fühlte sich im Gefängnis freier als heute nach der Entlassung: "Was nützt mir meine äußere Freiheit, wenn ich meine innere Freiheit, die ich hinter Gittern gefunden hatte, verloren habe?" Maximale Freiheit durch minimalen Einsatz mit riesigem Gewinn: Mit dieser Formel suchen viele die große finanzielle Freiheit beim Aktienhandel. Börsenexperte Frank Lehmann weiß, wie nah Freud und Leid beim Spekulieren zusammenliegen. "Im Goldrausch suchen viele die finanzielle Freiheit und träumen von der Yacht in der Karibik. Die Realität bringt oft nur einen großen Schuldenberg." 17 Jahre lang konnte man sich auf die pfiffigen Sprüche des humorvollen Hessen am Ende seiner ARD-Börsennachrichten verlassen. Seit einem halben Jahr ist er nun im verdienten Ruhestand. Steffi Gerbsch wollte von ihren Eltern kein Geld, sondern Zuneigung - doch die bekam sie nicht. Stattdessen zahlten Papa und Mama für gute Noten in der Schule und hielten den Leistungsdruck aufrecht. Zuviel Druck für ein junges Mädchen. Mit 14 Jahren zog Steffi Gerbsch deshalb die Reißleine und riss von zu Hause aus: "Ein Leben als Straßenkind in Berlin war für mich damals ein Ideal, und ich hab?s mir auch ziemlich locker vorgestellt." Doch es folgte der Absturz. Kochen, putzen, Wäsche waschen - Eva-Maria Kaus-Köster war als Hausfrau und Mutter in der klassischen Frauenrolle gefangen. Ihre eigenen Interessen waren dabei nur Nebensache, und das gab ihr irgendwann zu denken. Nach und nach reifte in ihr die Entscheidung: Raus aus der Familie, weg von Mann und Kindern - und sie ging tatsächlich: "Ich habe meine Verantwortung neu definiert, als ich mich dazu entschloss, meine Familie zu verlassen." "Gebundene Freiheit ist wahre Freiheit", lautet das Credo von Pater Lutz Müller heute. Als er nach dem Abitur eine Banklehre begann, sah er im Geld noch die große Freiheit. Doch Zwänge, Hierarchien und die schnöde Kapitalismusorientierung in der Bankenwelt weckten in ihm die Sehnsucht nach einer anderen Freiheit: Er trat der "Gesellschaft Jesu" bei, gelobte Armut, Keuschheit und Gehorsam. Als Ordensmann darf er sich nun für das engagieren, was ihm wirklich wichtig ist. Und dafür verzichtet der Jesuit gerne auf die ein oder andere äußere Freiheit. An der Bar: Kostüm, Konferenzen und Karriere tauschte Milda Drüke gegen Segelschuhe und Sonnencreme. Die erfolgreiche Werbemanagerin verkaufte alles, um ihren Traum zu verwirklichen: Eine Segeltour rund um den Globus. Viereinhalb Jahre war sie unterwegs, Barbados, Galapagos und Neuseeland waren nur einige ihrer Stationen. "Freiheit ist für mich Selbstbestimmung, Glanz und Glamour gaben mir nichts mehr." Nach ihrer Rückkehr krempelte sie ihr Leben um und lebt heute ganz bescheiden in Düsseldorf. Von dort aus bricht sie immer wieder zu Abenteuern in die entlegendsten Winkel der Welt auf.
- 22.06.2007 22.00, SWR, Nachtcafé
- 23.06.2007 08.50, SWR, Nachtcafé
- 28.06.2007 13.00, SWR, Nachtcafé