Die "68er" - Befreier oder Zerstörer?
Die einen geraten auch heute noch ins Schwärmen, wenn sie an "68" denken - Claus Peymann zum Beispiel: "Ich bekenne mich immer noch als 68er", sagt der Theatermann, "als einer, der an die Verbesserung der Welt glaubt. Ich bin heute noch begeistert davon, wie gewaltig der Aufbruch damals war - die Besten sind dabei gewesen; die Weltelite.? Die anderen verbinden mit den "68ern" so ziemlich alle Übel unseres politischen Alltags: Drogen, Kindermangel, die Krise der Familie, Bildungsnotstand, Werteverfall, sexuelle Libertinage... Der Historiker Götz Aly zieht sogar Parallelen zwischen den Nazis und der Studentenrevolte. "Die 68er waren totalitär", behauptet er. Und Volker Kauder, Chef der Unionsfraktion im Bundestag, spottet: "Die mittlerweile bürgerlichen Revolutionäre von einst haben es sich im damals verachteten ?Schweinesystem? bequem gemacht, genießen ihre Pensionen und Sozialleistungen". 1968 - das ist mehr als zeithistorische Erinnerung. Das ist auch heute noch eine politische Wasserscheide. Denn für viele, die unser Land in den letzten Jahren und Jahrzehnten geprägt haben, ist "68" das Erlebnis, über das sie sich positiv oder negativ definieren. 1968 - vor vierzig Jahren im April, nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, erschütterten die "Osterunruhen" das Land. Die APO machte den Springer-Verlag für den Anschlag verantwortlich. Die bis dahin weithin akzeptierte Trennung von "erlaubter Gewalt gegen Sachen" und verpönter "Gewalt gegen Menschen" ging im Straßenkampf unter - Teile der APO setzten auf Terror, entwickelten sich zur RAF. Was sind die "68er" heute - demokratische Befreier oder rücksichtslose, selbstverliebte Zerstörer? Eine zentrale Frage des nachkriegsdeutschen Selbstverständnisses. Haben die "68er" wichtige Bereiche unseres Wertesystems kaputt gemacht? Oder hätte es ohne sie keine Befreiung aus dem Kadavergehorsam früherer Zeiten, keine Lockerung der Umgangsformen, keine Emanzipation der Frauen gegeben? Verdanken wir die neue Sensibilität für die Rechte von Kindern und sexuellen Minoritäten den "68ern"? Gäbe es ohne sie schwule Bürgermeister und Parteivorsitzende, eine Frau als Kanzlerin? Die Träger der "68er"-Bewegung und ihre Gegner erreichen inzwischen die "Altersgrenze". Rudi Dutschke wäre in diesem Jahr 68 Jahre alt geworden. Volker Kauder, damals Student und schon CDU-Mitglied, ist 59. Claus Peymann wird bald 71. Und Heiner Bremer - damals mit verantwortlich für das ?Bonner Manifest? der Jungdemokraten, das Übereinstimmungen zwischen Sozialismus und Liberalismus feststellte - hat die 65 auch bereits überschritten. Hat die Revolution ihre Kinder längst gefressen? Leiden ihre Enkel immer noch unter ihren Erfolgen und Misserfolgen? Was haben die 68er eigentlich gebracht? Und was bedeuten schwarz-grüne Koalitionen, wie sie jetzt zum Beispiel in Hamburg geplant werden? Über diese und andere Fragen diskutiert Maybrit Illner mit ihren Gästen.
- 17.04.2008 22.15, ZDF, Maybrit Illner
- 18.04.2008 03.20, ZDF, Maybrit Illner
- 18.04.2008 17.30, Phönix, Maybrit Illner