Arbeitsmarkt absurd: "Gastarbeiter" rein - bei drei Millionen Arbeitslosen?
Auf den ersten Blick wirkt es ziemlich grotesk, was die Bundesregierung Mitte dieser Woche beschlossen hat: den Zuzug von ausländischen Facharbeitern zu erleichtern. Schließlich gibt es doch immer noch genug Arbeitslose! Und - trotz aller Erfolge - haben in Deutschland immer noch drei Millionen Menschen keinen Job. Gut eine Million steckt in so genannten "arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen". Könnte man die nicht gezielt für die Berufe ausbilden, in denen Fachkräfte fehlen? Der "gesunde Menschenverstand" sagt ja, die Wirtschaft sagt nein. Für die Anforderungen, die unsere Industrie und Technik nun mal haben, seien diese Menschen nicht geeignet. Und der Zentralverband des Handwerks (ZDH) geht sogar noch weiter: Man solle jetzt schon intensiv beginnen, sich in Polen, Tschechien und anderen Nachbarländern nach Lehrlingen umzuschauen; auf den deutschen Nachwuchs könne man quantitativ wie qualitativ nicht bauen. Schon heute fehle es an Bewerbern, die eine ausreichende schulische Bildung mitbrächten. Vor allem im Osten Deutschlands sei der Rückgang an jungen Leuten "dramatisch". Ingesamt würden dort in den kommenden Jahren rund 80.000 Lehrlinge fehlen. Deshalb fordert der ZDH Zuwanderungsausnahmen für Auszubildende. Und das, obwohl hierzulande noch immer viele Jugendliche auf Jobsuche sind. Darunter eine stattliche Anzahl von Einwanderern oder Migrantenkindern, deren Integration alles andere als gelungen ist... Arbeitsmarkt absurd? Die Zahlen, die die Wirtschaft nennt, sprechen eine deutliche Sprache: Schon heute fehlen über 400.000 Fachkräfte, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Das Wirtschaftsministerium schätzt, dieser Fachkräftemangel koste Deutschland mehr als 20 Milliarden Euro im Jahr. Die Bundesregierung hat nun reagiert und beschlossen, die Hürden zum Beispiel für ausländische Akademiker zu senken. "Aktionsprogramm Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland" heißt die Zauberformel. Kritiker erregen sich: Es könne doch nicht sein, dass unsere Schulen und Unternehmen nicht richtig ausbildeten, nicht in der Lage seien, für geeignete Qualifikation zu sorgen, um anschließend wegen des Facharbeitermangels Mitarbeiter aus Drittstaaten anzuwerben... Wer hat also versagt? Die Schulen? Die zuständigen Länderminister? Die Wirtschaft? Bringen Fachkräfte aus dem Ausland vielleicht neue Ideen und neues Wachstum zu uns - wenn es denn gelingt, sie vernünftig zu integrieren? Was wird aus den Jugendlichen, die bereits seit Jahren auf einen Ausbildungsplatz warten? Darüber diskutiert Maybrit Illner.
- 17.07.2008 22.15, ZDF, Maybrit Illner
- 18.07.2008 02.45, ZDF, Maybrit Illner