Gesundheit - Wer kann sich das noch leisten?
Gibt es medizinische Rundum-Versorgung bald nur noch für Reiche? - Unserem Gesundheitssystem droht der Finanz-Kollaps: Allein 7,5 Milliarden Euro fehlen den Krankenkassen für das kommende Jahr und Schwarz-Gelb muss ein gigantisches Loch in der Gesundheitskasse stopfen. Wird Gesundheit zu einem Luxusgut, das sich der Kleinverdiener bald nicht mehr leisten kann? Krankheit ist ein äußerst lukratives Geschäft, von dem Ärzte, Kliniken und die Pharmaindustrie profitieren. Paradoxerweise funktioniert unser Gesundheits-system nach dem Prinzip: mit Krankheit Kasse machen. Kein Wunder, dass das für einige schwarze Schafe in weißem Kittel zum Selbstbedienungsladen wird: Da ist die Patientin, die von Praxis zu Praxis geschickt wird, immer dieselben Untersuchungen und eine ganze Röntgen-Odyssee über sich ergehen lassen muss, auf dass sich ja auch die teuren Apparate der Ärzte amortisieren. Oder der Krebskranke, der auf der Transplantationswarteliste schneller nach vorne rutscht, wenn er eine "Spende für Forschungszwecke" von mehreren tausend Euro aufbringt. Nur zwei Beispiele, die in tiefe Abgründe blicken lassen. Die Leidtragenden sind die Patienten und letztendlich alle Kassenbeitragszahler. Sind wir auf dem besten Weg zur Zweiklassenmedizin oder ist sie nicht schon Realität? Wird den gesetzlich versicherten Patienten die bestmögliche Versorgung verwehrt? Ist Medizin ein Luxusgut und damit käuflich? Die Gäste: Dass Krankheit arm machen kann, diese bittere Erfahrung hat Sabine Hofmann machen müssen. Ihr Ehemann, der Startenor Peter Hofmann, war zwei Jahrzehnte lang ein gefeierter Weltstar. Doch seit er schwer an Parkinson erkrankt ist, leben die Hofmanns am Existenzminimum. Grund: u.a. viele medizinische Eigenleistungen, die die Familie aufbringen muss. Trotzdem sagt sie: "Mein Mann benötigt zwar Rund-um-die-Uhr-Betreuung, aber ich kümmere mich gern um ihn." Bei den Koalitionsverhandlungen setzte der FDP-Gesundheitspolitiker Heinz Lanfermann für seine Fraktion eine einheitliche Gesundheitspauschale für jeden gesetzlich Versicherten durch - Egal ob Friseurin oder Bankkaufmann, jeder soll das Gleiche zahlen. Unsozial ist das für ihn nicht: "Der Geringverdiener bekommt einen Sozialausgleich, er muss sich aber auch entsprechend offenbaren und einen Antrag stellen". "Viele bedürftige Menschen nehmen soziale Leistungen nicht in Anspruch, weil sie sich schämen", sagt der Mainzer Sozialmediziner Prof. Gerhard Trabert. Er ist fest überzeugt, dass Zuzahlungen davon abhalten, zum Arzt zu gehen und dadurch Folgeschäden entstehen. Seit 17 Jahren behandelt er in seinem Arztmobil kostenlos Obdachlose und sieht täglich, wie besorgniserregend der Gesundheitszustand vieler Menschen in sozialen Brennpunkten schon heute ist. Der Heidelberger Orthopäde Dr. Bernd Schuknecht beklagt Umsatzeinbußen seit der 2009 in Kraft getretenen Honorarreform. Dagegen kämpfte er bei den Ärzteprotesten an vorderster Front. Er ist sicher, dass die FDP die Fehler der Großen Koalition korrigieren wird und die Interessen der Ärzteschaft am besten vertritt. Er sagt: "28 Euro pro Patient im Quartal sind zu wenig. Sobald ein Patient im Quartal ein zweites Mal kommt, arbeite ich umsonst" Medikamente kosten die Krankenkassen mittlerweile mehr als die Honorare der Ärzte. Dass die Arzneimittelpreise in Deutschland im internationalen Vergleich mit an der Spitze liegen, weist Cornelia Yzer von sich. Die Chefin des Verbandes der forschenden Pharmaindustrie sieht hierbei Deutschland im Mittelfeld und erklärt die Preise mit dem Argument der Forschung: "Wir entwickeln hochinnovative und neue Produkte und das hat eben seinen Preis." Für Markus Grill dagegen ist klar: Die Pharmaindustrie betreibt statt Forschung hauptsächlich aggressives, teures Marketing. Der investigative Journalist deckte als Reporter beim "Stern" und "Spiegel" mehrfach Pharma-Skandale auf. Er ist überzeugt: "Würden Ärzte konsequent günstigere, aber gleich gute Produkte verschreiben, könnten Milliarden eingespart werden, doch der Einfluss der Lobby in der Politik ist zu groß." Eine Vorsorgeuntersuchung war für Sonja Berger der Anfang einer 20-monatigen Odyssee. Als ihr die Ärztin Brustkrebs diagnostizierte, begann ein Ärzte-Marathon mit vielen Untersuchungen und unterschiedlichsten Diagnosen. Ihr Fazit heute: "Früherkennung kann Leben retten. Klar ist aber auch, dass sie erhebliche seelische Erschütterungen und unnötige Eingriffe zur Folge haben kann. " Gesund zu werden - das kann sich nicht jeder leisten! Diese Erfahrung musste auch Kerstin Zubke machen. Ihr Vater wurde mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, doch die lebensrettende Maßnahme - eine Leberdialyse - wurde aus Kostengründen nach drei Tagen eingestellt. Kurz darauf verstarb ihr Vater. "Das Schlimmste ist, dass man als Angehöriger allein gelassen wird und nichts tun kann."
- 20.11.2009 22.00, SWR, Nachtcafé
- 21.11.2009 12.20, SWR, Nachtcafé
- 24.11.2009 21.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 26.11.2009 13.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 27.11.2009 10.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 28.11.2009 06.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 29.11.2009 03.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 30.11.2009 00.45, Eins Plus, Nachtcafé