Alkohol - verharmlost und verteufelt
Saufen, bis der Arzt kommt! Komasaufen scheint der neue Volkssport vieler Jugendlicher zu sein, jeder vierte betrinkt sich - laut einer aktuellen Studie - mindestens ein Mal im Monat bis zur Besinnungslosigkeit. Alkohol ist gesellschaftlich ritualisiert und mittlerweile eine sozial anerkannte Droge. Ein Prosit der Gemütlichkeit bringt jedes Bierzelt in Wallung, ein Glas Sekt zur Beförderung ist selbstverständlich und der Weißwein zum Fisch ist Teil unserer Esskultur. Für die einen ist Alkohol unverzichtbar, ein Bestandteil des Alltags zur Steigerung des Wohlbefindens, andere wiederum fordern rigoros ein striktes Alkoholverbot in Deutschland. Denn schnell kann der Genuss zur Gefahr werden, der Übergang zur Alkoholabhängigkeit ist fließend. Der Weg raus aus der Sucht ist lang; als Lebensbegleiter bleibt der tägliche Kampf um Abstinenz und die Angst vor dem Rückfall. Jetzt ließ ein Selbstversuch eines Arztes aufhorchen: Ein Kardiologe, selbst früher schwerer Alkoholiker, hat in einem Selbstversuch mit einem Arzneistoff nach eigenen Aussagen sein Verlangen nach Alkohol komplett überwunden. Zur Zeit testet auch die Berliner Charité diesen Wirkstoff in einer Studie. Ein Hoffnungsschimmer für alle Abhängigen? Welche neuen Forschungsergebnisse gibt es? Wann wird das einst genüssliche Trinken zum Missbrauch? Macht die Dosis das Gift? "Alkohol - verharmlost und verteufelt" am 4.12.2009 um 22.00 Uhr im SWR Fernsehen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Karen Schuller (0711-929 3553). Presse: Sandra Christ (0711-929-1038). Die Gäste: Christine Kröning hat ihre Alkoholsucht selbst dann noch verharmlost, als sie mit über zwei Promille am Steuer von der Polizei gestoppt wurde. "Dabei habe ich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Flasche Schnaps am Tag getrunken. Meine kleinen Söhne hassten mich und mein Mann floh vor mir, so oft es nur ging", erinnert sich die Erzieherin. Nach einem kalten Entzug auf eigene Faust ist sie nun seit knapp zehn Jahren trocken und warnt vor einer Verharmlosung der Volksdroge Alkohol. Schon mit 13 Jahren trank er seine ersten Bierchen, heute gibt sich Sebastian Jakic viel lieber gleich mit Hochprozentigem ab. Von schärferen Gesetzen zum Schutz Jugendlicher vor der Alkoholsucht hält der 23-jährige Musiker rein gar nichts. "Verbote steigern nur den Reiz, dann würde noch viel mehr getrunken", meint der Sänger der Stuttgarter Rockband "Parkhaus" und pocht auf das Recht der Jugend, eigene Erfahrungen machen zu dürfen. "Die Jugend säuft so viel und so früh wie noch nie. Schon 13-jährige Mädchen haben heute im Vollsuff ihren ersten Sex", schlägt die Sozialarbeiterin Simone Thieß Alarm. Sie fordert eine konsequente Verbannung alkoholischer Getränke aus dem öffentlichen Raum sowie ein striktes Werbeverbot für Bier & Co. "Alkohol wird inzwischen fast wie unschuldige Limonade angepriesen, das ist eine absolute Verharmlosung!" Animiert Alkohol-Werbung zum Komasaufen und unkontrolliertem Trinkverhalten? Werbestratege Falk Fuhrmann verneint und weist jede Verantwortung von sich: "Trotz Werbeverbot hätten wir keinen einzigen Komasäufer weniger. Jeder ist für sich selbst verantwortlich". Hingegen appelliert der Werbeprofi an den Erziehungsauftrag der Eltern: "Ich vermisse konsequentes Eingreifen, meine Eltern hätten mich nicht so saufen lassen, wie es viele Jugendliche heute machen!" Schnüffeln, schmecken, den Wein auf der Zunge tänzeln lassen - das ist die Art, wie Christina Fischer den Wein genießt. Die mehrfach preisgekrönte Sommelière weiß, welches gute Tröpfchen am besten zu welchem Essen passt Sie ist mit einer gehobenen Esskultur groß geworden, gutes Essen und Trinken wurde in ihrer Familie groß geschrieben. Dieses Lebensgefühl möchte die Restaurantbesitzerin bei ihren Weinverkostungen an andere weitergeben: "Bei vielen ist das Riechen, Schmecken und Genießen eingerostet. Das möchte ich bei meinen Gästen wieder zum Leben erwecken." "Der Alkohol ist für mich heute der Satan persönlich!" Der Schriftsteller Simon Borowiak ist trockener Alkoholiker, ein Rückfall könnte tödlich für ihn enden. Der ehemalige Titanic-Autor begann schon früh, Enttäuschungen wegzutrinken. Aus der ersehnten Pianistenkarriere wurde nichts, dafür kam der Erfolg mit dem Roman "Frau Czerny, die Rettich und ich". Doch Borowiak - früher "Simone" - blieb in seinem Körper ein Fremder und soff sich fast zu Tode. Erst eine Geschlechtsanpassung brachte ihn weg von der Flasche. Prof. Andreas Heinz leitet die Psychiatrie an der Berliner Charité und testet zur Zeit in einer Studie einen Wirkstoff, der den Abhängigen den Suchtdruck nehmen soll. Er weiß, dass bei Süchten körperliche Reaktionen nicht vom psychischen Verlangen zu trennen sind. "Wenn jemand seine Ehe und alle Freundschaften zerstört hat - und dann scheint das warme Licht aus einer Kneipe auf die graue Straße - da reagiert der Körper sofort." Prof. Heinz fordert mehr Forschung in Sachen Alkohol, um den rund zwei Millionen Abhängigen besser helfen zu können. Eine traurige Erfahrung machte Peter Schubert mit seinem Pflegesohn. Der Junge war als Baby in die Familie gekommen. Trotz liebevoller Pflege wies er lange Zeit engen Körperkontakt ab, hatte große Probleme bei der Sprachentwicklung und konnte sich nichts merken. Später zeigte sich der Pflegesohn immer wieder aggressiv und gewaltbereit. Schließlich erhielt er eine niederschmetternde Diagnose: Der Junge wurde als Ungeborener geschädigt, weil seine Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hatte.
- 04.12.2009 22.00, SWR, Nachtcafé
- 05.12.2009 12.20, SWR, Nachtcafé
- 08.12.2009 21.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 10.12.2009 13.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 11.12.2009 10.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 12.12.2009 06.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 13.12.2009 03.45, Eins Plus, Nachtcafé
- 14.12.2009 00.45, Eins Plus, Nachtcafé