Anleitung zum Verbiestertsein

02. Juni 2009, 01:34 Uhr

Kategorie: Gesellschaft, Religion, Politik

Autor:
Klaus Gugensteiner

Ich weiß nicht, wie euch das geht, aber ich habe manchmal den Eindruck, die Anzahl der grundsätzlich verbiesterten Leute nimmt langsam aber stetig zu. Was heißt das überhaupt, verbiestert?

missmutig und böse, voller Ärger, mit schlechter Laune und sehr gereizt

Es hat gewisse Vorteile, das Verbiestertsein zum Dauerzustand zu erheben. Verbiesterte Menschen werden gern in Talkshows eingeladen, gründen Parteien, Interessenverbände und Organisationen, denn man hält sie meist für wichtig. Das könnt ihr auch, jeder von euch! Es ist ganz einfach:

Grundvoraussetzung ist, dass du alles, was du an Humor noch besitzt, gnadenlos ausmerzt. Jede ironische Bemerkung, jede kleine Frotzelei muss dir sofort den Blutdruck auf 200 hochtreiben, sonst bist du als Verbiesterter nicht glaubhaft.

Nächster, ganz wichtiger Punkt: Nun musst du eine neue Stufe der Moral erklimmen. Das hört sich schwieriger an als es ist. Aber nur von einer moralisch absolut überlegenen Position aus kannst du dir erlauben, verbiestert auf andere herabzuschauen und jeden zu verachten, der es vorzieht, nach seiner eigenen Façon zu leben.

Du wählst also einen Standpunkt aus, der es dir erlaubt, jeden denkbaren Einwand mit Entrüstung und Empörung abzuschmettern. Das kann zum Beispiel etwas Religiöses sein. Religion ist immer gut, denn sie erlaubt dir, alle anderen hemmungslos in die Hölle zu wünschen und dich bei der kleinsten Gegenrede beleidigt auf deine religiösen Gefühle zu berufen (die natürlich niemals verletzt werden dürfen).

Allgemeine Weltverbesserei ist ebenso gut; bestens geeignet sind Themen wie Ernährung, Medien oder Mülltrennung. Wichtig ist, dass dein Verbiestertsein sich auf etwas richtet, was das Leben beinahe aller Bürger tangiert, sodass man möglichst vielen Leuten vorschreiben kann, was sie zu tun und zu lassen haben. Und es sollte sich auch eine gute Panikmache daraus basteln lassen (mindestens Das Ende ist nah!). Das sichert dir Aufmerksamkeit.

Wenn du also einmal deine über jede Kritik erhabene und unanfechtbare Meinung postuliert hast, richte zunächst dein ganzes Leben danach aus. Jede noch so banale Handlung muss im Einklang mit deinen Lehren stehen. Fordere dies nun auch von allen anderen; bewerte die Leute einzig und allein nur noch danach, ob sie deinen Prinzipien folgen oder nicht.

Nun wird es dir leicht fallen, ein paar ebenso Verbiesterte um dich zu scharen, um vielleicht einen Verein, eine Partei oder eine Organisation zu gründen. Jetzt hast du schon fast gewonnen. Jetzt musst du nur noch die Medien dazu bringen, deinen Schmarrn ausführlich breitzutreten. Das schaffst du leicht, indem du beispielsweise mit dem Wörtchen alarmierend nicht zu sparsam umgehst.

Jetzt steht deiner Karriere eigentlich nichts mehr im Wege. Wenn es wegen der lästigen 5-Prozent-Hürde vorerst mit dem parlamentarischen Einfluss noch nichts wird, so bekommst du doch immerhin vor jeder Wahl kostenlose Sendezeit und kannst deine verbiesterten Ansichten unters Volk streuen.

Du darfst dir aber nie anmerken lassen, wie viel Spaß dir das macht, sonst bist du als Verbiesterter nicht mehr tragbar.


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