Bürgerinitiativen

15. April 2009, 07:54 Uhr

Kategorie: Gesellschaft

Autor:
Ferdinand Schratmannsdörffer

Liebe Freunde!

Heute möchte ich Ihnen etwas über Bürgerinitiativen erzählen. Die Sache ist nämlich die: Ich hasse Bürgerinitiativen. Sie gehen mir sozusagen auf den Sack (wie mein Sohn das ausdrücken würde). Nun höre ich schon manchen vor seinem Heimrechner losbrüllen: "Was? Wie kann man nur den engagierten, seine Rechte wahrnehmenden Bürger so schlecht machen!" Ich will versuchen, es zu erklären.

Hier bei uns im Ort ist das so: Alle paar Wochen oder Monate klingelt irgendein Heini mit Klemmbrett an meiner Tür, wedelt mit Kugelschreiber und Unterschriftenliste herum und fordert mich auf, doch für seine gute Sache einzutreten. Andere organisieren Bürgerversammlungen, wo reichlich geschimpft werden darf; wieder andere schreiben Leserbriefe vom Umfang der "Brüder Karamasow" an das lokale Käseblatt. Und sie alle geben nicht eher Ruhe, bis sie den Politikern oder sonstwie Verantwortlichen so lange auf die Nerven gefallen sind, dass sie ihren Willen bekommen, egal, wie blödsinnig das im einzelnen auch immer sein mag.

Da war zum Beispiel eine Buslinie, die durch unsere Straße fuhr und dadurch zwei nahegelegene Stadtteile hervorragend miteinander verband. Die Anwohner (besser gesagt: der kleinere, aber lautere Teil derselben) hielten sich aber mit ihren Versammlungen und Unterschriften dermaßen dran, dass diese Linie jetzt einen anderen Weg nimmt und die Fahrtzeit ins Nachbardorf sich von 5 auf 25 Minuten erhöht hat. Interessanterweise waren die Engagiertesten in diesem Club gerade diejenigen, die a) sowieso nie den Bus nehmen, weil sie b) auch sowieso nicht vor die Tür gehen.

Als vor einigen Jahren hier ein neuer Supermarkt eröffnet wurde, lief auch so ein Vollidiot mit Liste herum und organisierte Protest dagegen. Wie bitte? Ganz recht. Denn so ein Supermarkt sei ja schließlich mit Verkehr und Lärm und einer Gefährdung der Kinder auf dem Schulweg verbunden. Bla bla bla. Zum Glück blieb der Quatsch erfolglos, und ich kann jetzt endlich einkaufen gehen, ohne vorher bis Pusemuckel zu fahren. Dafür stehen nun einige der Anwohner extra morgens um 5 Uhr auf, um sich über die furchtbar lauten und stinkenden Lieferwagen aufzuregen, die das Frischgemüse bringen.

Andere Leute, zwei Käffer weiter, leiden offensichtlich kollektiv unter zu viel ungenutzter Freizeit. Sie beklagten sich, die angebliche Lärmbelästigung in der Einflugschneise des zig Kilometer entfernten Flughafens sei unzumutbar. Die Flieger sollten doch gefälligst woanders längs düsen. Nun ist das hier aber eine sehr dicht besiedelte Gegend, und das Ansinnen besagter Bürgerinitiative heißt im Klartext nichts anderes als: "Nervt doch bitte unsere Nachbarorte!"

Andererseits fliegen nicht wenige dieser meist gut betuchten Leute zweimal im Jahr in Urlaub. Dann natürlich ist es ihnen ganz recht, dass sie bis zum Flughafen nur zweimal umfallen müssen, bzw dass extrem gute Bus- und Bahnverbindungen sie in Windeseile hinkarren. Das ist dann in Ordnung, weil es der eigenen Bequemlichkeit dient. Denn die Segnungen der modernen Zivilisation wollen sie nämlich alle ganz selbstverständlich genießen. Nur sollen die damit verbundenen Lasten bitte immer die Anderen tragen. Hmm, vielleicht sollte ich einmal eine Bürgerinitiative gegen Bürgerinitiativen ins Leben rufen?


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