Autor:
Ferdinand Schratmannsdörffer
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Einen guten Morgen wünsche ich! Möge die Sonne Sie ebenso anlachen wie mich jetzt. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, aber ich wenn ich einen Wühltisch mit Büchern sehe, kann ich einfach nicht daran vorbeigehen. Sie wissen schon: all die Mängelexemplare
, deren einziger Mangel der Stempel Mangelexemplar
ist. Also einfach Sachen, die raus müssen. Für 2,99 € oder so greife ich da gern mal auf gut Glück zu. Wie, Sie nicht? Sie interessieren sich weder für Belletristik noch für Sachbücher? Tja, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Aber erst neulich habe ich wieder bei einen sehr glücklichen Griff getan, ein Buch, das ich sonst wohl übersehen hätte …
Beschrieben wird darin die wahre Geschichte eines denkwürdigen Mannes: Weltumsegler, Entdecker eines Kontinents, präziser Vermesser etlicher Südsee-Atolle und der amerikanischen Westküste. Man sollte meinen, dass so jemand im Bekanntheitsgrad nicht hinter einem James Cook zurückstünde. Und doch werden Sie seinen Namen wahrscheinlich noch nie gehört haben:
Charles Wilkes.
Charles Wer? Wie kommt es, dass ein Mann, dessen vierjährige Weltumseglung in allen fachlichen Fragen ein voller Erfolg war, nicht zu den großen Helden der Seefahrt gezählt wird und vielmehr weitgehend vergessen ist?
In seinem Tatsachenbericht Dämonen der See (nur noch antiquarisch erhältlich) beschreibt Nathaniel Philbrick detailreich und spannend, wie sich Wilkes durch absolute Unausstehlichkeit selbst um die Früchte seiner Arbeit brachte.
Als Leiter der großen US Exploring Expedition 1838/42, kurz US Ex Ex genannt, hatte er den Auftrag, ein bisschen Klarheit auf die Seekarten der Welt zu schaffen und dabei erstmals die Fidschi-Inseln, Tahiti und vieles mehr zu vermessen. Das dabei entstandene Kartenmaterial war so präzise, dass es teilweise noch 100 Jahre später verwendet wurde.
Ein anderer Job war, die Existenz des damals noch mehr oder weniger fiktiven Südkontinents Antarktis zu bestätigen, und auch das gelang. Mit eigentlich dafür untauglichen Schiffen kartierte Wilkes ein langes Stück Küstenstreifen, der bis heute seinen Namen trägt.
So weit, so gut. Doch Wilkes war zwar ein genialer Vermesser, dafür nur ein mäßiger Seemann und als Vorgesetzter gar eine blanke Katastrophe: Er soll Herman Melville für den Roman Moby Dick als Vorbild für die Figur des Kapitäns Ahab gedient haben.
(Quelle: Wikipedia).
Es war sicher keine gute Idee gewesen, die Leitung der gesamten US Ex Ex einem Leutnant zu übertragen. Wegen seines relativ niedrigen Dienstgrades hatte Wilkes von Anfang an Komplexe, weshalb er sich dann unterwegs selbst zum Kapitän beförderte. Seine nicht vorhandene Autorität versuchte er durch unsinnige Befehle und öffentliche Demütigungen anderer Offiziere durchzusetzen. Selbst ohne viel Ahnung von Seefahrt und in Krisen hoffnungslos überfordert, verdankt Wilkes es nur einigen fähigen Leuten in der Crew, dass nicht die ganze Flotte zum Teufel ging. Und was gab's als Lob für solche Hilfe? Strafversetzungen auf die niederrangigen Begleitkähne. Oder Suspendierungen. Oder ab und zu mal eine nette kleine Auspeitschung (wobei Wilkes das zulässige Höchststrafmaß ständig größzügig überschritt). Dagegen muss Käpt'n Bligh von der Bounty ein netter Bursche gewesen sein.
Über die Vermessungstechniken erzählt Nathaniel Philbrick nur am Rande, aber auch das ist interessant. Man behalf sich zum Beispiel mit Kanonenschüssen: Das eine Schiff ballerte los, das andere maß den zeitlichen Abstand zwischen Blitz und Donner, schon hatte man die Entfernung (GPS funktionierte mal wieder nicht). Auf die Art und Weise wurden vier Kilometer große Inseln mal eben in dreieinhalb Stunden komplett kartiert. Davon verstand Wilkes etwas.
Nach Abschluss der US Ex Ex gab es dann freilich keine Ständchen, schon gar keinen Ruhm, dafür aber mächtig Ärger. Die Offiziere, die sich vier Jahre lang schikanieren lassen mussten, packten nun aus und wollten nur noch eins: Rache. Und so kam es, dass ein Mann, der als Entdecker zu den Größten überhaupt zählt, heute kaum noch bekannt ist.
Ich dachte mir: Das könnte Sie ja vielleicht interessieren. Mit ein bisschen Glück finden auch Sie es auf'm Ramschtisch oder im gut sortierten Antiquariat.