Wenn man keine Subtexte versteht

03. Mai 2009, 02:33 Uhr

Kategorie: Gesellschaft

Autor:
Klaus Gugensteiner

Vielleicht kennt ihr das auch: Lästige Typen, die sich wie Kletten an einen dranhängen und erst mit dem Holzhammer darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass ihr Verhalten nicht erwünscht ist. Ich war gerade in der Kneipe, das lange Wochenende feiern, und weil auf die Idee wohl viele gekommen waren, war das Unheil nicht zu vermeiden:

Es gibt da einen Typ, dem habe ich vor etwa zehn Jahren mal einen Gefallen getan. Nichts Großartiges und auch nicht deshalb, weil ich den Kerl sympathisch finde, sondern ganz im Gegenteil: Er hatte sich so lange mit seiner Nerverei drangehalten, dass ich irgendwann gesagt habe: Okay, ich mach das für dich, und damit, so dachte ich, sei die Sache dann endlich erledigt.

Nichts weniger als das!

Seitdem kommt der Kerl jedes Mal, wenn er mich irgendwo sieht, meist an der Theke, angedackelt und erzählt mir dieselbe langweilige Scheiße. Nun sollte man annehmen, dass jeder irgendwann im Rahmen einer soliden mitteleuropäischen Erziehung gelernt hat, sogenannte Subtexte zu erkennen. Wenn ich auf die Frage Sollen wir bei Gelegenheit nicht mal einen trinken gehen? mit einem gemurmelten Hmm, mal schauen, wie sich das so ergibt antworte, sollte ein durchschnittlich sozialisiertes erwachsenes Subjekt erkennen können: Das heißt im Klartext: Lieber lass ich mich vierteilen!

Wie auch immer. Es ist nicht so, dass ich diesem besagten Kerl nicht schon zu verstehen gegeben habe, dass ich es nicht sonderlich schätze, wenn er mich jedes Mal in interessanten Gesprächen unterbricht, um mich mit seinem kotzlangweiligen Gelaber zu nerven. Einsilbige, betont desinterssierte Antworten meinerseits fruchteten nichts; das wurde als Aufforderung begriffen, alles gleich noch mal zu erzählen. Einwände wie Das können wir vielleicht später mal vertiefen, aber … wurden ignoriert.

So weit die Subtexte. Ich behaupte: Wer nicht 50 Jahre lang von frühester Kindheit an auf einer einsamen Insel gelebt hat, kann solche Subtexte interpretieren. Und zwar als Verpiss dich!

Deshalb wurde ich beim vorletzten Mal schon gröber, ließ ihn gar nicht aussprechen und sagte, ich sei jetzt gerade in einem wichtigen Gespräch. Und ich drehte mich weg und sah ihn den Rest des Abends mit dem Arsch nicht mehr an.

Aber auch das wurde nicht verstanden. Eben kam der Idiot wieder angedackelt, drängte sich schon wieder ohne Vorwarnung in ein angeregtes Gespräch, und diesmal habe ich auf Subtexte jeder Art verzichtet und gesagt: Verpiss dich! Was glaubt ihr, wie er reagiert hat? Er war doch tatsächlich beleidigt.

Hoffentlich für immer.


[] · Poststelle · HTML · CSS · über rasputin