Hurra! Wir werden mal wieder verstrahlt!

20. Mai 2009, 02:01 Uhr

Kategorie: Gesundheit, Wissenschaft

Autorin:
Nachtschwester Ingeborg

Hallo, ihr Lieben!

Die Fress-Wächter von Foodwatch geben Alarm: Jedes achte Mineralwasser ist arg mit Uran belastet. Und Spiegel online macht gleich brav einen erstklassigen Panikartikel daraus. Da frage ich mich:

Geht's noch? Zwar bezweifle ich nicht, dass viele meiner Mitmenschen, die ich in der U-Bahn vegetieren sehe, irgendwie verstrahlt sind. Aber dieser Artikel enthält mal wieder alles, was man zu einer soliden Panikmache braucht, einschließlich der üblichen Schrottvokabeln wie alarmierend und (mein Liebling überhaupt): ist nicht auszuschließen. Es kann zum Beispiel nicht ausgeschlossen werden, dass jetzt gleich ein totes Zebra hier durchs Fenster geflogen kommt, aber alarmierend finde ich das eigentlich nicht.

Da ist mal wieder von einem willkürlichen Grenzwert die Rede, den der Gesetzgeber auf 2 µg (Mikrogramm) pro Liter festgesetzt hat (jedenfalls, wenn man werben möchte, dass die Brühe für Kleinkinder geeignet sei). Sicher, Uran möchte man nicht in seiner Mahlzeit haben, aber wie üblich bei solchen Panikartikeln fehlen mal wieder sämtliche Vergleichswerte. Interessant wäre doch zum Beispiel, wie viel Uran beispielsweise in einem Liter Meerwasser enthalten ist. Na schön, das kann man googlen: Es sind 3,3 µg. Demnach müsste den Kiddies nach den Vorstellungen der Essensretter das Plantschen im Mittelmeer verboten werden.

Zugegeben: Meerwasser trinkt man nicht, jedenfalls nicht freiwillig. Wenn ihr aber in den kommenden Sommermonaten einen dieser schrecklich ungesunden Badeurlaube macht, so bedenket, ihr Unglücklichen: Ihr werdet verstrahlt! Es soll schon beobachtet worden sein, dass auf Malle seltsame Mutanten aus dem Mittelmeer stiegen, aber ob das immer mit Uran zu tun hat, weiß ich nicht.

Nun enthält aber auch das böse Leitungswasser Uran, und das ist (ja, liebe Gorleben-Aktivisten) völlig normal:

Auch Luft enthält etwas weniger als ein zehntel Nanogramm Uran pro Kubikmeter. Uran ist überall! Es ist ein natürliches Spurenelement, das ganz normal in der Erdkruste steckt – durchschnittlich etwa drei Milligramm befinden sich in einem Kilogramm Erdboden. Kein Wunder, dass es auch in normalen Lebensmitteln und im Trinkwasser vorkommt.

Drei Milligramm in einem Kilo Dreck! Herrje! Wann werden endlich die Sandkästen verboten! Was ist mit den armen Gärtnern, die jeden Tag in völlig verstrahlter Blumenerde herumwühlen müssen! Furchtbar! Drei Milligramm! Das ist das 1500fache des Grenzwertes für Mineralwasser! Und unser ganzes schönes Bio-Gemüse, das in diesem verstrahlten Dreck gezogen wird! Argh!

Natürlich gibt es in dem ganzen Artikel auch mal wieder keine Angaben in Becquerel (damit könnte man ja vielleicht sogar etwas anfangen). Aber schön und gut, überlegen wir doch mal: Zwei Mikrogramm als Grenzwert, wie viel ist das überhaupt? Nun, das sind zwei Millionstel Gramm. Stellen wir uns das einmal als einen Würfel mit der Kantenlänge a vor, der in einem Liter Wasser gelöst ist. Da Uran eine Dichte vom 19,16 g/cm³ hat, rechnen wir: 2 mal 10 hoch minus 6 Gramm geteilt durch die Dichte. Wir erhalten einen Würfel mit dem Volumen von etwa 10 hoch minus 7 Kubikzentimetern, das sind 0,0000001 cm³. Das ergibt die Kantenlänge a gleich 4,7 mal 10 hoch minus 3 Zentimeter. Wie, Sie verfallen jetzt immer noch nicht in Panik?

Na, dann sag ich Ihnen was: Sehen Sie das uran-verseuchte Mineralwasser doch einfach als homöopathisches Medikament! Die Homöopathen verkaufen schon seit geraumer Zeit ganz unerschrocken Präparate auf der Basis von Plutonium als Heilmittel gegen Haarausfall. Sie dachten, das sei ein zynischer Witz unserer Kasse für sozialverträgliches Frühableben? Nein, nein, schlagen Sie doch nur mal bei den Homöopathen nach, zum Beispiel hier auf dieser Kräutertee-Seite.

Uff! Darauf ein tüchtig verseuchtes Mineralwasser!

Schöne Nacht noch!
Ingeborg


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