Die Markus-Akte (13)

Guten Tag!

Falls Sie zum ersten Mal auf meine Fortsetzungsreihe "Die Markus Akte" stoßen, lesen Sie doch bitte zunächst den Einführungstext. Vielen Dank.
Heute erfahren wir unter anderem, was "geistige Interessen" sind.

9. Klasse, Realschule.
Inzwischen sind die Herbstferien vorbei, und es ist Zeit für ein erstes Resümee: Wie macht sich Markus denn so im neunten Schuljahr? Prächtig, prächtig! Die letzte Mathe-Arbeit war fünf, die Deutsch-Arbeit dafür sechs. Die Aufgabenstellung in Deutsch war: Weise nach, dass das Hörspiel 'Das Schiff Esperanza' ein offenes Ende hat!

Nun hatte ich mit Markus ähnliche Aufgabenstellungen reichlich geübt, auch schriftlich. Dabei kam nie etwas anderes flache, ganz vordergründige Inhaltsangaben heraus, zudem fehlerhaft. Auf die eigentliche Fragestellung ging er niemals ein. Thema verfehlt. Ich riet ihm also vor der Arbeit dringend, er solle sich bei jedem Satz, den er schreibe, gut überlegen, ob er etwas mit dem Thema zu tun habe.

Dann kam die Arbeit. Markus ratlos: Ja warum ist das denn eine Sechs? Nun ja: Sein Text ist wieder mal nur die übliche Nacherzählung, die der Lehrer in Randnotizen so kommentiert: Das ist ein groteskes Mißverständnis! Im Kommentar unter der Arbeit steht unter anderem auch, dass man das Thema ausführlich besprochen habe, verbunden mit der Frage: Wo warst du da? Markus: Ja, aber das versteh ich jetzt nicht. Ich war doch da gewesen …

Zur Mathe-Arbeit gibt's nicht viel zu sagen, nur meinte er hinterher, er kann den Stoff ja eigentlich, er habe sich nur bei jeder Aufgabe vertan gehabt. Das sieht dann so aus, daß er 4/4 zu 4 kürzt, dauernd Vorzeichen verschlampt, Punkt- und Strichrechnung durcheinanderschmeißt und 9/3 nicht als kürzbar erkennt. (Außerdem fing er heute schon wieder von seinem verschwundenen Kugelschreiber an!)

Tja, und dann sage ich in einem Gespräch mit Mutti, er müsse sich jetzt langsam mal für irgendwelche geistigen Dinge interessieren, ganz egal was, also ob jetzt Kunst, Kultur, Wissenschaft, Gesellschaft, nur bitte irgendetwas, kurz: Er müsse dringend seinen Horizont erweitern. Daraufhin stellt Markus zunächst einmal fest, dass das Geistige ja kein Problem sei, denn er habe schließlich einen Gameboy. Daraufhin merke ich zaghaft an, dass ein Gameboy nicht exakt das sei, was mir unter geistigen Interessen vorschwebt.

Markus weiter:
- Ja mein Vater, der schneidet mir manchmal so Sachen aus der Zeitung aus, über Formel 1 und Fußball und so. Meinen Sie das?
- Nein, leider auch nicht.

Ich frage also, bei welchem Thema denn überhaupt eine winzigkleine Chance bestünde, sein Interesse zu wecken und länger als drei Sekunden binden. Ja, da kamen wieder die Berge und die Seilbahnen. Na schön, auch gut, es gibt lesenswerte und spannende Bücher über Bergbesteigungen, zum Beispiel von Edmund Hillary, Joe Simpson oder Jon Krakauer. Dann soll er halt das lesen, wunderbar.

Nee, Markus meint mehr so bunte Bilderbücher über die schöne Alpenwelt, wo schöne Wanderwege beschrieben sind. Ich betone noch einmal, dass es bei seinem extrem mangelhaften Textverständnis nicht um das Anschauen von Bildern gehe, sondern um das Lesen. Am Ende der fünfzigminütigen Diskussion fragt er, ob denn Muttis Liebesromane in Groschenheftgestalt auch Kultur seien? (Mutti entsetzt: Markus!)

To be continued ...
Versäumen Sie nicht, wenn es in der nächsten Woche heißt:
- Markus zieht mal wieder einen Rand
- Markus übt Bewerben