Die Markus-Akte (3)

Guten Tag!

Falls Sie zum ersten Mal auf meine Fortsetzungsreihe "Die Markus Akte" stoßen, lesen Sie doch bitte zunächst den Einführungstext. Vielen Dank.
Heute erfahren wir unter anderem, wie man eine einfache Gleichung löst.

8. Klasse, Realschule.
In Mathe fangen sie jetzt mit Gleichungen an. Ich sage: Was man auf der einen Seite macht, muß man auch auf der anderen machen. Das ist wie bei einer Waage, die immer im Gleichgewicht bleiben muss. Also, auf geht's:
2x + 6 = 12.
Erster Schritt: |-6. Was steht dann da?
Bei Markus jedenfalls 2x = 12.
Dass das ja nun schon rein logisch was total anderes sein muss als die Zeile darüber, leuchtet ihm nicht ganz ein: "Wieso? Das stimmt doch?".

Andere Beispiele:
Ich frage: "Was macht man, wenn man da stehen hat: 0,5x = 2?"
- "Ja, dann tut man mit 0,5 malnehmen."
- "Schön, dann steht da: 0,25x = 1. Bringt also nix."
- "Minus 0,5!"
- "Macht 0,5x - 0,5 = 1,5. Taugt noch weniger."
- "Plus 0,5!"
Man merkt schon, das ist nur reine Raterei ins Blaue hinein, von Logik keine Spur. Nächster Vorschlag:
- "Minus 0,5x!"
- "Ergibt 0 = 2 - 0,5x."
- "Hä? Aber das stimmt doch!"
- "Nun denke dir einen halben Kuchen ..." (Ich zeichne einen Kreis.) "Der Kuchen heißt x, und die Hälfte davon wiegt zwei Kilo. Was musst Du tun, um auf das Ganze zu schließen?"
- (Triumphierend:) "Ah, ich hab's: plus 1!"
(Boden, tu dich auf!)

Zurück zum Deutschunterricht. Da er in fiktionalen Texten nicht mal einfachste Bezüge wersteht, soll er jetzt mal Bücher lesen. Dazu schaue ich hinten in sein Deutschbuch, wo dankenswerterweise eine Empfehlungsliste mit Titeln für Schüler seines Alters drin steht, darunter finde ich den klassischen Krimi "Die kleine Schwester" von Raymond Chandler. Das ist jetzt nicht zu hochgeistig, denke ich.

Nach einer Woche hat er schon ganze dreißig Seiten geschafft, nach zweien schon zweiundvierzig! Für eine Seite Krimi im moderaten Diogenes-Satzspiegel braucht er 4½-5 Minuten Lektürezeit! Mir fiel unterdessen auf, dass er in dem Buch kein Lesezeichen hat, und ich fragte nach dem Grund.
- "Lesezeichen? Nee, ich merk' mir das immer."
- "Aber das ist doch mit Lesezeichen viel einfacher!"
- (Angestrengtes Nachdenken): "Ach jaa! Ja, was kann man denn da nehmen? Ein Blatt Papier?"
- Daraufhin war ich versucht zu sagen: "Wie wär's mit deinem vertrockneten Hirn?"

Na ja, und dann das Textverständnis ... Ich lasse ihn immer Inhaltsangaben von den Passagen, die er gelesen hat, schreiben. Da kommt dann (nach immerhin 42 Seiten Lektüre) ein Satz vor wie: "Und dann rief Marlowe den Detektiven [sic] an." Ich fragte, wer denn der Detektiv sei.
- "Na, der Ich-Erzähler."
- "Und wie heißt der?"
- "Ja, weiß nich'?"
- "Wie lautet der erste Satz im Roman?"
- "Ähhh: 'Auf der Riffelglasscheibe steht mit abblätternder schwarzer Farbe: Philip Marlowe... Ermittlungen.' Aach, jetzt versteh ich das auch!"

In der nächsten Stunde sagte ich ihm, er müsse sein Lesetempo steigern, wenn er nicht den Faden verlieren wolle:
- "Das ist indiskutabel, nach drei Wochen erst auf Seite 46 ...
- "47!"
- "Meinethalben, ist doch egal, also nach drei ..."
- "Das ist nicht egal."
- "Na schön, also 47! Aber kennst Du den Spruch: 'Man muß auch mal Fünfe gerade sein lassen können'?"
- "Aber fünf ist doch schief!"

Apropos schief. Ob er zu dem Text noch Fragen hätte:
- "Ja, warum sind die Seitenzahlen so schief?"
- "Schief?"
- "Ja, die Seitenzahlen sind immer so schief!"

To be continued ...
Versäumen Sie nicht, wenn es in der nächsten Woche heißt:
- Markus singt "rabimmel-rabammel-rabumm"
- Markus treibt den Blutdruck seiner Lehrer hoch