Die Markus-Akte (19)

Guten Tag!

Falls Sie zum ersten Mal auf meine Fortsetzungsreihe "Die Markus Akte" stoßen, lesen Sie doch bitte zunächst den Einführungstext. Vielen Dank.
Heute erfahren wir unter anderem, worin der Sinn von Allgemeinbildung liegt.

10. Klasse, Realschule.
Markus hat jetzt seit kurzem Ferien. In die zehnte Klasse wurde er zur Abwechslung einmal ohne Nachprüfung versetzt. Damit er in der Zeit des Müßiggangs nicht wieder alles vergisst und vielleicht auch mal ein bisschen Allgemeinbildung lernt, habe ich die letzte Stunde ausnahmsweise einmal bei mir zu Hause abgehalten. Hier habe ich meine Bibliothek griffbereit und kann ihm leicht zeigen, wovon ich rede.

Ich beginne mit einem kurzes Abriss der kulturgeschichtlichen Epochen. Damit Markus Texte wenigstens schon mal zeitlich einordnen kann, wenn dann also in der Schule mal so was wie Barocklyrik kommt. Als ich auf die bedeutendsten Werke der Zeit zu sprechen komme, nenne ich auch den Don Quijote von Miguel de Cervantes Saavedra vor. Natürlich hatte er weder von dem durchgeknallten Ritter jemals etwas gehört, noch kannte er die Redewendung gegen Windmühlen kämpfen. Na schön, also krame ich Asterix in Spanien raus, wo auch eine Anspielung darauf vorkommt. Versteht er aber auch nicht. Ist auch zu kompliziert, mit den ganzen Windmühlen und so.

Dann sieht Markus in meinem Regal die Kinder- und Hausmärchensammlung der Gebrüder Grimm. Aah, das kenn ich!, entfährt es ihm, das ist Max und Moritz und so. Schließlich sieht er auch meine CD-Sammlung und fragt mit messerscharfer Logik, ob ich auch Musik höre.
- Ist anzunehmen, meine ich.
- Und was denn so?
Ich zeige ihm ein paar ein paar CD-Cover.
- Markus: Ach, auch so Sachen, wo da so einer am Klavier spielt?
- Ja, auch so Sachen.
- Wie finden Sie denn so den Musikantenstadl und so was?
- Das ist akustische Belästigung.
- (Betroffen:) Ach! Aber manches ist doch ganz schön dabei.

Übrigens frage ich so cirka fünfzehn Minuten nach Ablauf der Doppelstunde, ob ihn seine Mami nicht langsam mal abholen käme. Doch, meint er, die wartet seit einer halben Stunde unten auf der Straße! Und so ist es dann auch: Sitzt die Alte da bei 35 Grad in ihrer dampfenden Karre und traut sich nicht, bei mir zu klingeln. Und Markus sagt natürlich die ganze Zeit keinen Ton.

In der nächsten Stunde versuche ich es einmal mit Antike und Mittelalter, also nur ganz allgemein: Was ist eine Odyssee, was war in Troja los, wer waren die Ritter der Tafelrunde, und wie war das noch mit Siegfried und dem Drachen? Damit davon auch was hängenbleibt, bitte ich ihn, ein paar Namen in seinem Brockhaus nachzuschlagen, zum Beispiel Homer. (Anmerkung am Rande: Dieser Haushalt besitzt einen dickenfetten Brockhaus mit ungefähr 500 Bänden, in Leder eingebunden und mit Goldschnitt, und der Buchrücken knackt noch beim Aufschlagen: reine Regal-Deko also, gänzlich unberührt).

Wieder eine Stunde später bitte ich Markus, mir mal zu zusammenzufassen, was denn im Lexikon gestanden habe.
- Ja, weiß nicht …
- Wie, hast du dir keine Notizen gemacht?
- Davon haben Sie nix gesacht!
Ich zwinge langsam meinen Blutdruck wieder in den normalen Bereich und mache weiter:
- Na schön, wann lebte denn dieser Homer? Ungefähr. Auf die Viertelstunde kommt's jetzt nicht an.
- (Wie ein Wasserfall:) 45 vor Christus, 2000 vor Christus, 400 vor Christus, 200 nach Christus …
- (Stöhn!)
Und dann stellte Markus endlich die entscheidende Frage: Ja, warum muss man das denn alles wissen? Das ist doch alles uninteressant. Die anderen wissen das doch auch nicht.

Danach fährt erst mal in Urlaub und kraxelt mit Mami und Papi wieder die Berge rauf, und dann kann er sich endlich wieder seine tollen Seilbahnen ansehen.

To be continued …
Versäumen Sie nicht, wenn es in der nächsten Woche heißt:
- Markus lernt Potenzrechnen
- Markus als Heinrich-Heine-Experte