Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Abenteuer, Deutschland/Peru/Mexiko 1972, Regie und Buch: Werner Herzog, Kamera: Thomas Mauch, Musik: Popol Vuh, mit Klaus Kinski, Alejandro Repulles, Cecilia Rivera, Helena Rojo, Edward Roland, Peter Berling, Ruy Guerra
Intro: In dieser Liste erfüllt Werner Herzogs Aguirre - Der Zorn Gottes
eine Art Platzhalterfunktion, mehr noch als einige andere Filme. Er steht hier als Beispiel für den sogenannten Neuen Deutschen Film (ab sofort NDF abgekürzt), mit dem Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders. Volker Schlöndorff oder eben Werner Herzog international wohlwollendes Kritikernicken einfuhren, als der deutsche Film eine seiner düstersten Stunden durchlebte.
Ja, es war die güldene Schulmädchenreport
-Zeit. In Lederhosen wurde gejodelt und sogar auf der Alm ließen es die Kumpel zünftig jucken. Das spülte Geld in die Kassen, aber jedermanns Sache war das sicher nicht. Unterdessen versuchten sich die Regisseure des NDF in anspruchsvollen Stoffen und machten sozusagen in Kunst. Das brachte den einen oder anderen Klassiker hervor, allerdings auch reichlich viel dröges Zeug und intellektuelle Nabelschau.
Eine solche 100-Filme-Liste muss aber schon aus Gründen der Vollständigkeit mindestens einen Vertreter des NDF enthalten. Nur welchen? Die Entscheidung fiel schließlich gegen Fassbinder, gegen Wenders und sogar gegen den oscarprämierten Schlöndorff (Die Blechtrommel
). Aguirre - Der Zorn Gottes
ist für den NDF nicht nur seines Sujets wegen ungewöhnlich; vor allem die hier begonnene langjährige Zusammenarbeit zwischen Werner Herzog und Klaus Kinski erwies sich für das deutsche Kino als außerordentlich fruchtbar (es folgten unter anderem die sehenswerten Filme Woyzeck
und Nosferatu
) - gleichwohl flogen da auch stets die Fetzen. Doch dazu kommen wir später.
Inhalt: Peru im 16. Jahrhundert. Eine Gruppe spanischer Conquistadores übersteigt die Anden, um im Dschungel nach dem sagenumwobenen Land Dorado zu suchen. Offiziell geht es natürlich darum, den heidnischen Ureinwohnern das Wort Christi zu bringen, aber die Goldgier steht den Spaniern nur zu deutlich im Gesicht geschrieben. Mit dem Floß geht es den Amazonas hinab. Dummerweise gibt es da weit und breit kein Dorado, dafür um so mehr übellaunige Indianer, die vom Ufer aus die hilflos-dämlichen Eroberer nach und nach dezimieren. Bald schon führt der nicht ganz dichte Aguirre (Kinski, Foto) das Kommando. Umkehr kommt für ihn nicht in Frage. Er zieht das jetzt durch. Doch die Reise führt nicht ins gelobte Land, sondern auf geradem Wege in den kollektiven Wahnsinn.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Aguirre
ist ein sehr, sehr billiger Film. Auch wenn der Stoff nicht gerade nach opulenten Ausstattungsorgien verlangt, ist das Ganze doch hoffnungslos unterproduziert. Kurz gesagt: Das wirkt eigentlich über weite Strecken ziemlich trashig, und die abenteuerlichen Produktionsbedingungen sind dem Film jederzeit anzumerken, bis hin zu den durchweg hölzernen Darstellerleistungen. Wäre da nicht Klaus Kinski!
Kinski, dessen köstliche Pöbel-Auftritte in diversen Talkshows zu den großen Klassikern des deutschen Fernsehens zählen, geht in der Rolle dieses durchgeknallten Despoten mit erkennbarer Spiellaune auf. Mit Herzog fetzte er sich am Set bis aufs Blut, und es geht die Sage, dass der Regisseur ihn schließlich nur mit vorgehaltener Waffe zum Weiterspielen bewegen konnte. Nichtsdestotrotz drehte Herzog dann noch vier weitere Filme mit Kinski, eine ziemlich masochistische Zusammenarbeit, die er in dem sehenswerten Dokumentarfilm Mein liebster Feind
auf unterhaltsame Weise aufarbeitete.
Kinski jedenfalls ist schon eine Nummer für sich, wenn er davon phantasiert, dass potenzielle Abtrünnige in 198 Teile (sic!) zerstückelt und die Überreste zertreten werden sollen, und wenn er am Ende noch von den Reichtümern Dorados schwadroniert, wo die Herrschaft über sein Floß doch längst von einer Gruppe Totenkopf-Äffchen übernommen wurde. Herzog filmt das mit Gespür für die atmosphärische Wirkung des schwülen Dschungels, und auch ein unvorhergesehenes Hochwasser wurde kurzerhand in die Story eingebaut. Da lässt sich insgesamt gut verkraften, dass die Geschichte insgesamt doch etwas dünn ist und der ganze Rest der Besetzung kaum Profil gewinnt.