Autor:
Giovanni Cortese
- Ort: Palermo oder Duisburg
- Dabei seit: 2002
- Giovannis Profil
- Alles von Giovanni
- Giovannis Chef
- Giovanni bei Twitter
Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Lawrence von Arabien (Lawrence of Arabia)
Monumentalfilm, Großbritannien 1962, Regie: David Lean, Musik: Maurice Jarre, mit Peter O'Toole, Alec Guinness, Anthony Quinn, Jack Hawkins, Omar Sharif, Anthony Quayle, Arthur Kennedy, José Ferrer, Claude Rains
Inhalt: Nordafrika während des Ersten Weltkriegs: Der britische Offizier Thomas E. Lawrence organisiert den Widerstand der Wüstenstämme gegen die osmanischen Besatzer. Er hat durchschlagenden Erfolg, doch mit der Zeit wandelt sich sein Charakter in unschöner Weise: Größenwahn und Fanatismus stellen sich ein.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Mit dem Namen des Regisseurs David Lean werden heute in aller Regel aufwendige Ausstattungsschinken von erheblicher Länge verbunden. Das spiegelt freilich nur einen Teil seines Schaffens, das auch kammerspielartige Werke wie Begegnung
(1945) enthält. Nach dem Welterfolg Die Brücke am Kwai
(1957) spezialisierte er sich dann auf überlebensgroße Kinoabenteuer, die bisweilen haarscharf am Rande des Kitsches vorbeischrammen (Dr. Schiwago
), aber immer ein ungeheures Gespür für kinowirksame Bilder erkennen lassen.
Viele der Filme, die in dieser Reihe vorgestellt werden, sind überlang. Das ist einerseits sicher kein Zufall, denn manche Geschichten brauchen einfach ihre Zeit, um erzählt zu werden. Andererseits werden heute die meisten Filme viel zu breit getreten, etwa wenn selbst dünne Actionstorys 130, 150, 170 Minuten laufen und der erzählte Inhalt doch gegen null geht (Fluch der Karibik III
- kotz!).
Auch David Leans bekannteste Filme sind ziemlich lang; dieser hier läuft im Director's Cut fast vier Stunden. Aber wie kaum ein anderer Regisseur wusste Lean diese Laufzeit auch sinnvoll zu nutzen. Dass Lawrence von Arabien
nicht nur als farbenprächtiger Historienschinken funktioniert, sondern darüber hinaus auch als epische Charakterstudie, ist dabei auch den sehenswerten Darstellern geschuldet.
Peter O'Toole, blond und blauäugig, verkörperte das männliche Schönheitsideal der 60er Jahre und erlebte einen rasanten Aufstieg zum Weltstar. Später stand seiner Karriere dann gelegentlich seine Vorliebe für Hochprozentiges im Wege, und so landete er Ende der 70er Jahre - neben anderen Stars - in Tinto Brass' berüchtigtem Schundfilm Caligula
, wo er den völlig abgefuckten Tiberius spielte.
Mit der historischen Wahrheit nahm Lean es hier nicht so genau. Obwohl die Geschichte im Kern auf wahren Begebenheiten beruht, ist doch vieles Fiktion und im Sinne eines dramaturgisch funktionalen Drehbuchs umgestaltet. Für den Geschichtsunterricht taugt der Film also eher nicht. Dennoch gelang es Lean als einem der wenigen Regisseure, dem bei solchen Ausstattungs-Epen üblichen äußeren Aufwand auch etwas Inhaltliches von Belang entgegenzusetzen. Da lassen sich die fast vier Stunden denn mühelos auf einer Backe absitzen, und das soll Lean heute mal einer nachmachen.
Abspann: Lawrence von Arabien
gewann sieben Oscars. Dabei ging ausgerechnet Hauptdarsteller O'Toole leer aus. Ausgezeichnet wurde der Film dagegen in den Kategorien bester Film, beste Regie, beste Kamera, bester Schnitt, beste Ausstattung, beste Musik und bester Ton. Anschließend verfilmte Lean das überdimensionierte Revolutionsdrama Dr. Schiwago
(1965), das wieder ein großer Publikumserfolg wurde. Seine letzten beiden Filme waren Ryans Tochter
(1970) und Reise nach Indien
(1984), der mit nur 164 Minuten für Leans Verhältnisse geradezu ein Kurzfilm wurde.