Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
(Thriller, Großbritannien 1966, Regie: Michelangelo Antonioni, Musik: Herbie Hancock, mit David Hemmings, Vanessa Redgrave, Sarah Miles, Jane Birkin, Veruschka von Lehndorff)
Inhalt: Fotograf Thomas (Hemmings) ist von seinem Beruf besessen. Bei Supermodels wie Veruschka (Foto) ist er ganz in seinem Element. Weniger bekannte Schönheiten, die er für langweilige Brotjobs ablichten muss, schnauzt er dagegen äußert uncharmant an. In der restlichen Zeit kurvt er in seinem Rolls Royce Cabrio durch London, stets auf der Suche nach schicken Bildmotiven.
Eines Tages fotografiert er in einem Park die junge Jane (Redgrave) bei einem Rendezvous mit einem älteren Herrn. Jane erwischt ihn und fordert erfolglos die Herausgabe des Films. Später kreuzt sie sogar in Thomas' Atelier auf und bietet sich selbst als Gegenwert für die Negative an: wieder vergeblich. Thomas entwickelt die Bilder und entdeckt auf den Vergrößerungen überraschende Details: Aus einem Strauch heraus ist scheinbar eine Pistole auf Janes Liebhaber gerichtet. Thomas vergrößert weiter und weiter und glaubt schließlich eine Leiche im Gebüsch zu sehen. Kommt er langsam einem Mordfall auf die Spur, oder ist er nur Opfer seiner Phantasie?
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Das menschliche Hirn neigt dazu, auch da Formen und Muster zu erkennen, wo gar keine sind; bestes Beispiel: das Marsgesicht. Eine zufällige Anordnung von Bodenerhebungen und -senkungen liefert bei günstiger Beleuchtung reichlich Stoff für die Bestseller von einschlägigen Esoterikern. Ein Gesicht ist das aber ebensowenig wie die Marienerscheinung im Käsesändwich.
Genau in diese Wahrnehmungsfalle tappt auch Thomas. Er müsste eigentlich wissen, dass ein unscharfer Bockmist in extremer Vergrößerung immer noch unscharfer Bockmist bleibt. Aber auch sein Gehirn sieht eben bisweilen die Dinge, die es sehen will. Am Ende beobachtet Thomas, wie junge Hippies rein pantomimisch ein Tennismatch aufführen, und nach einer Weile kann er den nicht vorhandenen Ball tatsächlich hören. Auch wenn der Film die Frage offen lässt, ob ein Verbrechen stattgefunden hat oder nicht, so kann doch der eifrige Fotograf seinen Sinnen offenbar nicht mehr trauen.
Daneben ist Blow up
auch ein Zeit- und Stimmungsbild der Swinging Sixties, die Antonioni mit all ihrem blasiertem Chic eingefangen hat. Fotograf Thomas laufen zwar die Models nach und balgen sich nackt in seinem Atelier, aber Spaß hat er daran eigentlich nicht. Schlimmer noch: Als er einen Freund braucht, mit dem er seine Entdeckungen teilen könnte, findet er nur seinen zugekifften Verleger, dem die ganze Geschichte völlig egal ist. In der letzten Einstellung des Films steht Thomas winzig und geradezu verloren auf einer riesigen, sonst menschenleeren Wiese, und da dämmert es ihm wohl, wie furchtbar einsam er bei all seinem hippen Getue doch ist (im Grunde ist er so eine Art kleiner Bruder von Klatschreporter Marcello aus La dolce vita.