Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Krimiserial, 10 Folgen, Frankreich 1915/16, Regie: Louis Feuillade, mit Edouard Maté, Musidora, Marcel Lévesque
Intro: Heute wird gern vergessen, dass die Serie keine Erfindung des Fernsehens ist. Schon zu Stummfilmzeiten erfreuten sich die Menschen an Fortsetzungsgeschichten um ihre liebgewonnenen Helden oder ebenso liebgewonnenen Scheusale. 1913 drehte Louis Feuillade die erste Serie über den Superverbrecher Fantômas, der über 50 Jahre später in den drei Kinoversionen mit Jean Marais und Louis de Funès zu neuer Popularität kam. Als Feuillades Meisterstück gelten jedoch Die Vampire
, entstanden mitten im Ersten Weltkrieg.
Inhalt: Um Vampire geht es in der Handlung eigentlich überhaupt nicht, jedenfalls nicht um übersinnliche Blutsauger. Die titelspendenden Vampire sind vielmehr eine Verbrecherorganisation, die Frankreich in Angst und Schrecken versetzt. Journalist Guérande recherchiert und stößt dabei unter anderem auf die durchtriebene Irma Vep (ein Anagramm von Vampire
), die ihm und seinem treudoofen Kumpel alsbald schwer zu schaffen macht.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Louis Feuillade war mit Sicherheit der bedeutendste und einflussreichste Regisseur des frühen Filmserials. Verglichen mit Zeitgenossen wie David Wark Griffith ist seine Bildsprache zwar noch nicht sonderlich modern: Feuillade erzählt strikt in der Totalen; Großaufnahmen gibt es lediglich in Form von Inserts (Einstellungen zum Beispiel auf Notizzettel und andere Schriftstücke). Er nutzt andererseits gelegentlich bereits die bewegte Kamera, die er auf Autodächer montierte, um den Zuschauer direkt in eine Verfolgungsjagd hineinzuziehen. Davon abgesehen ist der Stil sehr statisch.
Nichtsdestrotrotz sind Feuillades Bilder oft von einem subtilen poetischen Charme, der Surrealisten wie René Magritte begeisterte und beeinflusste. Dem Publikum kam es freilich auf ganz andere Vorzüge an. Ein wenig Ablenkung vom alltäglichen Grauen an der Front durch künstliches Grauen im Kino kam da recht gelegen. Die Vampire
war ein großer Erfolg, was sich auch an der Länge der Folgen messen lässt. Anfangs recht kurz gehalten, wurden die Episoden zum Ende hin deutlich länger. Der Durchbruch kam mit dem Auftritt von Irma Vep (Musidora, Foto) in Folge 3.
Von da an musste die Handlung auf Gedeih und Verderb weitergesponnen werden, ob es nun Sinn ergab oder nicht. Sobald der jeweilige Chef der Verbrecherorganisation erledigt ist, erweist er sich lediglich als Marionette eines noch höheren Vampirs, der aber selbst auch nur wieder fremdgesteuert ist und so weiter und so fort. Bei dem heillosen Durcheinander hat dagegen Irma Vep immer den Durchblick. Der Zuschauer braucht ihn nicht wirklich, um sich dabei zu amüsieren.
Abspann: Louis Feuillade (1873-1925) war ein echtes Arbeitstier. In seiner Karriere drehte er über 600 Filme. Neben Fantômas
und den Vampiren sind die bekanntesten: Judex
(1916) und Tih Minh
(1918). 1996 drehte Olivier Assayas unter dem Titel Irma Vep
eine Komödie über die Dreharbeiten zu einem fiktiven Remake. Darin spielte Actionstar Maggie Cheung sich selbst und schlüpfte in die Rolle der Musidora-Epigonin - eine Hommage an Feuillades Original.