Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
M - Eine Stadt sucht einen Mörder
(Thriller, Deutschland 1931, Regie: Fritz Lang, mit Peter Lorre, Gustaf Gründgens, Otto Wernicke, Paul Kemp, Theo Lingen, s/w)
Inhalt: Im Berlin der späten Weimarer Republik geht ein Kindermörder (Lorre) um. Die Polizei versucht mit zahllosen Razzien in der Unterwelt den Täter zu fassen. Der Erfolg ist null, aber der ganze sinnlose Aktionismus geht den organisierten Berufsverbrechern dermaßen auf die Nerven, dass sie unter Leitung des "Schränkers" (Gründgens) beschließen, den Mörder selbst zu stellen. Ihre Methoden erweisen sich denn auch als weitaus effizienter ...
Filmgeschichtlich bedeutsam, weil: Der erste Tonfilm von Fritz Lang (Metropolis
) ist natürlich kein Werk, das ein effektübersättigter Kinogänger von heute so ohne weiteres konsumieren kann. Es gibt nicht das kleinste bisschen Hintergrundmusik, einzelne Außenaufnahmen bleiben sogar völlig stumm, was gelegentlich irritierend wirkt. In Zeiten, da kaum noch eine Wald-und-Wiesen-Doku ohne schicke Klangeffekte auskommt, wirkt die Tonspur von Langs "M" auf den ersten Blick primitiv. Aber Lang erkannte die künstlerischen Möglichkeiten der damals noch recht neuen Technik auf Anhieb. Während die meisten frühen Tonfilme über Dauergelaber oder Musical-Singsang nicht hinauskommen, demonstrierte Lang virtuos, wie sich Bild und Ton ergänzen können statt sich gegenseitig totzuschlagen (und das könnte sich mancher heutige Regisseur bei Lang wieder abschauen). Berühmt wurde beispielsweise die von Peter Lorre leitmotivisch gepfiffene Melodie aus Griegs "Peer Gynt"-Suite, die unmissverständlich klarmacht: Jetzt ist höchste Gefahr im Verzug!
Auch wenn "M" inzwischen ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, sind die Behandlung des heiklen Themas und die Darstellung des Kindermörders erstaunlich modern. Peter Lorre ("Casablanca") ist unvergesslich als aufgeschwemmter glubschäugiger Psycho, der im Verlauf der Geschichte vom verächtlichen Täter nach und nach zum gehetzten Tier und schließlich sogar Mitleid erregenden Opfer wird: ziemlich mutig in einer Zeit, die überwiegend der "Rübe runter"-Rhetorik frönte. Der Anführer der anständigen Verbrecher dagegen, der sein gutes Handwerk durch den Serienkiller beschmutzt sieht, bedient sich gern einer Sprache, die unangenehm an die der kommenden Machthaber erinnert, etwa im Gebrauch des Wortes "ausrotten". Natürlich entging das den Nazis nicht, und so wurde "M" nach 1933 verboten. Fritz Lang drehte anschließend noch einen Film in Deutschland ("Das Testament des Dr. Mabuse", 1933; verboten auch der); danach emigrierte er ebenso wie Peter Lorre nach Hollywood, wo beide noch zahlreiche sehenswerte Filme drehten (wenn auch leider nicht mehr zusammen).