Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
(Drama/Thriller, Deutschland 2006, Regie und Buch: Florian Henckel von Donnersmarck, mit Martina Gedeck, Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Ulrich Tukur, Herbert Knaup)
Inhalt: Was will ein Filmemacher mehr als gleich mit seinem ersten Langfilm den Oscar zu gewinnen? Florian Henckel von Donnersmarck legte ein Kinodebüt hin, das im deutschen Kino wirklich Seltenheitswert hat. Das ist seltener noch als selten: Da ist nicht nur jemand, der etwas zu sagen hat, er packt es auch noch in eine spannende Geschichte: Hauptmann Wiesler (Mühe) arbeitet für den Stasi und ist ein echter Hardliner. Eines Tages soll er den Schriftsteller Dreyman (Koch) abhören, weil sein Vorgesetzter (Tukur) auf dessen Partnerin (Gedeck) scharf ist. Während er so Nacht für Nacht in das Leben der Anderen eindringt, gerät sein Systembild ins Wanken.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Es gilt ja in einigen Gegenden irgendwie als schick, sich in Ostalgie zu suhlen oder zu behaupten, die DDR habe ja auch ihre guten Seiten gehabt (die Autobahnen waren es aber ganz bestimmt nicht!). Florian Henckel von Donnersmarck sagt da ganz unsentimental, was Sache ist: Die DDR war Scheiße. Punkt. Seine Obduktion eines gar nicht romantischen Systems der Unterdrückung verpackt er als straffen Polithriller, der sich nicht in vordergründiger Hektik ergehen muss, um das Interesse seines Publikums zu binden.
Erstaunlich daran ist, dass der Neuling auf Anhieb mit traumwandlerischer Sicherheit alles richtig macht: Er führt seine Darsteller zu ausgezeichneten Leistungen, er verliert sich nicht in eitlen Regiesperenzchen und inszeniert strikt storydienlich, bleibt immer am Ball und schweift nicht ab. Sein Interesse gilt immer den Menschen, nicht der (Film-)Technik, und die Bildsprache ist von einer unaufdringlichen und deshalb bezwingenden Klarheit, die es im Kino ganz selten gibt. Da muss man schon einen Jean Renoir oder solche Kaliber bemühen.
Henckel von Donnersmarck kann es sich leisten, seine Geschichte einfach nur zu erzählen, er muss nicht agitieren oder sich bei den Stilmitteln des Propagandafilms bedienen, um seine Position zu verdeutlichen. Er braucht keinen manipulativen Firlefanz, wie er im politisch korrekten Hollywoodkino üblich ist (Schmalz, Pathos, Musikbombast, Krokodilstränen). Denn die Geschichte spricht einfach für sich.
Einziges Problem: Wer so ein Debüt hinlegt, wird sich auf immer und ewig daran messen lassen müssen, und das wurde schon für Leute wie Orson Welles ("Citizen Kane") oder John Huston ("Die Spur des Falken") zum Fluch.