Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Die 36 Kammern der Shaolin (Shao Lin san shi liu fang)
Eastern, Hongkong 1978, Regie: Liu Chia-Liang, mit Gordon Liu (aka Chia Hui Liu), Norman Chu, Lieh Lo, Yang Yu
Intro: Auch wenn ich in meinem Pilottext geschrieben habe, dass ich mich in dieser Reihe grundsätzlich auf das westliche Filmschaffen konzentrieren werde, darf doch mindestens ein Eastern nicht fehlen. Denn ausgehend von den entsetzlichen Schachtelkinos der 70er Jahre, die nicht eben mit hoher Filmkunst assoziiert werden, haben die Martial-Arts-Filme doch unaufhaltsam ihren Siegeszug angetreten und nicht zuletzt im Hollywoodkino ihren unübersehbaren Eindruck hinterlassen: Man denke nur an die endlosen Kampfszenen in Matrix
oder auch das Zitierkino eines Quentin Tarantino, der mit seiner Vorliebe für Eastern bei jeder Gelegenheit hausieren geht. Wenn auch - ähnlich wie beim Italowesten - unter dem Label Eastern unsäglich viel Schrott produziert wurde, gibt es doch einige meisterliche Ausnahmen. Die 36 Kammern der Shaolin
zählt sicherlich dazu, und leider war der Film in Deutschland jahrzehntelang nur in einer radikal gekürzten Version zu sehen (auf DVD inzwischen uncut).
Inhalt: Zu der Handlung ist im Grunde nicht viel zu sagen, sie variiert das Grundmotiv des jungen Burschen, der unter der strengen Obhut höchst vergeistigter, nichtsdestotrotz extrem schlagfertiger Mönche zum Überkämpfer gestählt wird. Dabei muss das anfängliche Weichei durch nicht weniger als drei Dutzend Ausbildungs-Kammern der körperlichen und geistigen Reifung gehen, um hinterher den Schurken anständig die Maske plätten zu können.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Diese simple Handlung diente als Blaupause für ungefähr achthundertsechsundfünfzigtausend andere Filme, sowohl im fernen Osten als auch im Westen, etwa in Kung Fu Panda
usw usf. Dabei zeigt Die 36 Kammern der Shaolin
, wie andere Filme des Genres auch, bei den Fertigkeiten der Kampfkünstler eine gewisse Vorliebe für das Übernatürliche: Die bloße Handbewegung eines steinalten Mönches erzeugt einen solchen Luftdruck, dass es einen erwachsenen Mann aus den Pantoffeln haut. Ähnlich utopisch stilisierte zuvor bereits Regisseur King Hu die Kampftechniken in den Werken wie (Ein Hauch von Zen
, Taiwan 1969). Insoweit ist also das, was ein Ang Lee in seinem laut beklatschten Tiger & Dragon
(2000) veranstaltet, wahrlich nichts Neues, nur wird dies neuerdings gern mit einem gewissen kunstbeflissenen Brimborium vorgetragen, das den Martial-Arts-Film von den eingangs erwähnten Bahnhofskinos ins Bewusstsein des feuilletonhörigen Arthaus-Publikums getragen hat. Wenn dann noch Tarantino ankommt und den Shaolin
-Hauptdarsteller Gordon Liu in seinem Kill Bill Vol 1
auftreten lässt, interessieren sich plötzlich Leute für den Eastern, die früher die entsprechenden Ecken der Videotheken nicht mal von weitem kannten.
Nichtsdestotrotz ist und bleibt ein Zitatekatalog wie Kill Bill
Kino aus zweiter Hand, und nichts kann das Wiedersehen mit einem Original wie Die 36 Kammern der Shaolin
ersetzen. Der Film übte nicht nur einen immensen Einfluss auf das Kino aus (auch das westliche): Selbst mit einem Abstand von über 30 Jahren neu betrachtet, hat er nichts von seinem Unterhaltungswert verloren.