Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Ein Hauch von Zen (Hsia Nu/A Touch of Zen)
Eastern, Taiwan 1969, Regie: King Hu, mit Hua Hui-ying, Hsu Feng, Chou Yeh-hsing
Inhalt: China während der Ming-Dynastie: Zwei Ex-Generäle und die ansehnliche Yang sind auf der Flucht vor dem kaiserlichen Geheimdienst. Sie finden Unterstützung bei einem jungen Zeichner, der von seiner Mutter schwer genervt wird, weil er immer noch Single ist (was sich aber angesichts von Yang bald ändern wird). Es kommt schließlich zum Entscheidungskampf zwischen all den perfekten Kampfkünstlern.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Martial-Arts-Filme wurden früher beinahe reflexhaft und ganz pauschal mit tumbem Geprügel gleichgesetzt, irgendwo zwischen Comic-Sprechblasen (Argh! Hmpf! Uaiiahh!
) und bebilderten Onomatopoeia (Wham! Zosh! Crash!). Wer sich in den 70er Jahren das Gros der hierzulande im Verleih erschienenen Werke anschaute, dem fiel es kaum schwer, abschätzig über dieses ganze Kung Fu
-Zeug zu urteilen. Doch nicht erst seit Ang Lee mit Tiger & Dragon
einen weltweiten Kritikererfolg landete (einen ziemlich übertriebenen freilich), hat das Genre gelegentlich Werke von außerordentlicher Qualität hervorgebracht.
Freilich rechnete sich Qualität in der Filmgeschichte nicht immer, und so erging es auch King Hu und dem wohl bis heute ambitioniertesten Eastern überhaupt. Gemessen an der durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne des üblichen Zielpublikums lässt er sich beinahe ewig und drei Tage Zeit, bis es zu den ersten Kampfhandlungen kommt. Etwa eine Dreiviertelstunde verstreicht mit der Vorstellung der Hauptfiguren, mit familiärem Gezänk und der nervigen Mutti, und nur ganz gemächlich bauen sich die Konflikte auf.
King Hu schaut dabei nicht auf die Laufzeit, die dementsprechend den Rahmen des Genres bei weitem sprengte. Am Ende lief sein Film etwa drei Stunden lang, was ihn für das Programm der Bahnhofs- und Schachtelkinos (in denen die Kung-Fu-Fetzer damals bevorzugt liefen) völlig unbrauchbar machte.
Die logische Konsequenz war, dass sein kostspieliges Epos an den Kassen ein Riesenflop wurde und in der Folge drastisch gekürzt wurde. Wie immer in solchen Fällen retten die willkürlichen Schnitte gar nichts und machen alles nur noch schlimmer. Längst aber ist Ein Hauch von Zen
wieder in der vollständigen Fassung (zu neudeutsch: Director's Cut
) erhältlich, und schon 1975 bei den Filmfestspielen von Cannes erfuhr seinem Regisseur die überfällige Anerkennung durch einen Spezialpreis.
In der Tat ragt Ein Hauch von Zen
meilenweit aus der Masse der Kampfsportfilme heraus. Das liegt nicht allein daran, dass King Hu seine virtuos gefilmten und geschnittenen Actionszenen lange vor der Konkurrenz bereits mit surrealistischen Verfremdungen und balletthafter Choreographie versah: So ließ er seine Kampfeskünstler beispielsweise meterhoch durch die Luft fliegen, hob durch versteckte Trampoline in der Landschaft praktisch die Schwerkraft auf und verlieh den Akteuren zunehmend übermenschliche Fähigkeiten. Das alles ist heute nicht mehr ungewöhnlich.
Aber darüber hinaus vermittelt der Film auch philosophische und mystische Hintergründe des Zen-Buddhismus
(Zitat Reclams Filmführer, 8. Auflage, S. 261). Vom Zen-Buddhismus habe ich keine Ahnung, deshalb lasse ich das einfach mal so stehen. Doch so oder so: Gemixt mit den malerischen Landschaftsaufnahmen und der organischen Einbeziehung von Natur überhaupt (allein die Kampfszenen im lichten Wald sind unvergesslich) ergibt das in der Summe ein Werk, in dem es auch beim wiederholten Sehen noch Neues zu entdecken gibt und dessen Länge deshalb auch völlig in Ordnung geht.