Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Kriminalfilm, USA 1997, Regie: Curtis Hanson, Buch: Brian Helgeland und Curtis Hanson nach dem Roman von James Ellroy, Musik: Jerry Goldsmith, Kamera: Dante Spinotti, mit Kevin Spacey, Russell Crowe, Guy Pearce, James Cromwell, Kim Basinger, Danny De Vito, David Strathairn
Inhalt: Hollywood in den frühen 50er Jahren. Drei Polizisten, die in ihrem Charakter unterschiedlicher nicht sein könnten, geraten an den Fall ihres Lebens: Ed Exley (Pearce) ist der klassische Streber, karrieregeil, vorschriftenhörig und - vor allem - mächtig unbeliebt. Bud White (Crowe) ist das genaue Gegenteil, ein Dreinschläger, der es mit den Vorschriften und Gesetzen nicht so hat und Fünfe prinzipiell gerade sein läßt. Und da ist Jack Vincennes (Spacey), der Verhaftungen vornehmlich dann vornimmt, wenn sie ihm eine prima Titelseite in der einschlägigen Klatschpresse einbringen.
Eines Nachts wird die Kneipe Nite Owl zum Schauplatz eines blutigen Massakers. Die Tat wird kurzerhand drei Schwarzen angehängt; der Fall ist geschlossen. Exley, White und Vincennes kommen, zum Teil unabhängig voneinander, auf den Trichter, dass hier etwas stinkt. Die Spur führt ausgerechnet zum väterlichen Freund, Captain Dudley Smith (Cromwell).
Es fällt ihnen indes schwer, am selben Strick zu ziehen, denn White hasst Exley wie die Pest, und das nicht nur beruflicher Gründe wegen. Beide haben ein gewisses Faible für die Edelhure Lynn (Basinger), und am liebsten würde White seinen Konkurrenten einfach umnieten. Doch nur über ihn und mit ihm führt der Weg zur Lösung des Falles. Höhepunkt ist schließlich ein denkwürdiger Showdown, gegen die die üblichen Kintoppballereien aussehen wie das, was sie sind: Kindereien.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Manche Filme gehören in diese meine Liste, nicht weil sie die Filmästhetik neu geprägt haben (Außer Atem
) oder weil sie geniale Kabinettstückchen enthalten (Safety Last!
), sondern aus einem sehr viel schlichteren Grund: weil in ihnen auf exemplarische und geradezu wundersame Weise alles stimmt, was überhaupt nur stimmen kann. In diese Kategorie gehört Curtis Hansons L. A. Confidential
.
Dabei war im Vorfeld der Produktion Skepsis durchaus nicht unangebracht: Die Romanvorlage von James Ellroy ist ein ungeheuer komplexes Gebilde mit Hunderten von Figuren und irrsinnig vielen Handlungssträngen. Nicht umsonst wird Ellroy bisweilen mit seinen Vorbildern Tolstoi und Dostojewski verglichen. L. A. Confidential (Stadt der Teufel)
ist nicht allein Kriminalroman, sondern Sitten- und Gesellschaftsbild des Los Angeles in den 50er Jahren. Eine auf gut zwei Stunden limitierte Kinofassung konnte dem Detailreichtum eigentlich kaum gerecht werden; ein TV-Mehrteiler von sechs bis zehn Stunden Gesamtdauer schien allemal die bessere Lösung zu sein.
Auch die Wahl des Regisseurs Curtis Hanson lag nicht unbedingt auf der Hand. Auf sein Konto ging bis dahin lieblose Konfektionsware wie Die Hand an der Wiege
(1992), später inszenierte er unter anderem das Eminem-Vehikel 8 Mile
(2002). Einzig der kaum beachtete Wonder Boys
(2000) mit Michael Douglas und Tobey Maguire lässt noch ähnliches Talent aufblitzen wie L. A. Confidential
.
Für seine Kinofassung des Ellroy-Ungetüms hat Hanson zusammen mit seinem Co-Autor Brian Helgeland die labyrinthische Geschichte gekonnt verschlankt, gnadenlos Nebenhandlungen gestrichen und zusammengelegt, dabei aber den Geist der Vorlage bewahrt (dafür gab es zurecht einen Drehbuch-Oscar). Da brodelt es unter der glatten Oberfläche des sauberen Amerikas, in dem ständig hübsche und schmissige Schlager im Hintergrund dudeln und ein Senator McCarthy gerade Jagd auf Kommunisten macht. Doch Gewalt ist allgegenwärtig, und zu trauen ist niemandem. Die Polizisten unterscheiden sich von den Gangstern oftmals nur dadurch, dass sie zufällig auf der richtigen Seite des Gesetzes stehen; ihre Methoden sind dagegen mehr oder weniger identisch.
Wer das vertraute Schema des klassischen Whodunit-Krimis mit seiner oft schlichten Schwarzweißzeichnung liebt, wird hier als Zuschauer einmal richtig gefordert: Das Verhältnis der drei Hauptfiguren ist in ständigem Wandel, aus Freunden werden Feinde - und umgekehrt. Auch aus dieser latenten Unsicherheit bezieht der Film seine Spannung, Dichte und Atmosphäre.
Abspann: Ellroys Buch ist der dritte Teil seiner sogenannten L. A.-Tetralogie; inzwischen wurde von Brian De Palma auch der erste Roman verfilmt, Die schwarze Dahlie
, doch das Ergebnis war eine schwere Enttäuschung.