Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Das süße Leben (La dolce vita)
(Gesellschaftsporträt, Italien 1960, Regie: Federico Fellini, Musik: Nino Rota, mit Marcello Mastroianni, Anita Ekberg, Anouk Aimée, Yvonne Furneaux, Magali Noël, Alain Cuny, Lex Barker, Annibale Ninchi, Walter Santesso, Nico, Adriano Celentano, s/w)
Vorspann: Aufdringliche Promi-Jäger werden heute Paparazzi genannt. Warum eigentlich? Der Grund dafür ist der Name einer Nebenfigur aus Federico Fellinis La dolce vita
: Der junge Fotograf Paparazzo beliefert nach seinen nächtlichen Streiftouren die Klatschspalten der Sensationspresse. Die Darstellung geriet so überzeugend, dass der Name im allgemeinen internationalen Wortschatz aufging.
Inhalt: Marcello (Mastroianni) führt als Klatschreporter ein Leben auf der Überholspur: Frauen, Alkohol, Partys. Seine Zeit verbringt er mit Leuten, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts besseres zu tun haben, als sich sehen zu lassen und die sich deshalb außerordentlich wichtig vorkommen. Das bringt Marcello schon mal das Bad mit einer arg vorderlastigen schwedischen Filmdiva (Ekberg) in einem öffentlichen Brunnen ein, aber seine ganzen Frauengeschichten sind auch so schon unübersichtlich genug. Erst als sein Freund Steiner sich und seine Kinder erschießt, beginnt Marcello nachzudenken.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Seinerzeit hatte Fellinis knapp dreistündiges Porträt der römischen Prominenz einige Enthüllungsqualitäten zu bieten, und solcherlei Skandälchen trugen zum Welterfolg des Films sicherlich bei. Dabei sind die Episoden zum Teil in Stil, Tempo und Ton recht unterschiedlich. Zu den Höhepunkten gehört eine getürkte Marienerscheinung, die Fellini furios als kollektive Hysterie entlarvt. Am berühmtesten jedoch wurden die Szenen mit Anita Ekbergs Bad im Brunnen (tja, warum wohl?). Dagegen sind die Szenen um den depressiven Steiner vergleichsweise schwergängig.
Heute ist gelegentlich zu lesen (zum Beispiel in Reclams Filmführer), dass der satirische Bilderbogen im Grunde recht zeitgebunden sei. Richtig daran ist zweifellos, dass die seinerzeit aktuellen Anspielungen und Seitenhiebe von einem heutigen Publikum nicht mehr decodiert werden können. Doch befreit von dem ganzen Skandalgeschrei werden die Qualitäten des Films als bissiges Gesellschaftsbild nur um so deutlicher. Auch wenn es hier um das Rom der späten 50er Jahre geht, so lässt sich die Aussage doch mühelos auf so manche andere Schickeria übertragen: Dieses süße Leben, nach außen hin eine pausenlose Fête, ist im Grunde von entsetzlicher Leere. Auch wenn Marcello am Ende nicht versteht, was ihm das junge Mädchen am Strand zuruft, so scheint doch langsam die Erkenntnis in ihm zu reifen.