Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Agententhriller, Großbritannien 1964, Regie: Guy Hamilton, mit Sean Connery, Gert Fröbe, Honor Blackman, Shirley Eaton
Intro: Großbritanniens kommerziell erfolgreichster Beitrag zum Kinogeschehen war über Jahrzehnte hinweg die James-Bond-Reihe (während das bei den Deutschen die glorreichen Schulmädchenreports
gewesen sein dürften - Schwamm drüber). Die ganze Entwicklung des Actionkinos ist seit den 60er Jahren ohne Mr 007 nicht denkbar. Waren die Bond-Streifen in den ersten beiden Jahrzehnten noch das unangefochtene Synonym für abgedrehte Stunts und aufwendige Action, verlor die Reihe in den Jahren vor dem Neuanfang mit Casino Royal
(2006) zunehmend ihre Identität: Hollywood ließ mit seinen überkandidelten Materialorgien der Sorte Roland Emmerich oder Michael Bay (Armageddon
) den britischen Martini-Schüttler zunehmend unzeitgemäß aussehen.
Inhalt: Als bestes Beispiel für den klassischen Bond wird gern - und zurecht - der dritte Film der Reihe genannt: Goldfinger
. Die Handlung ist eigentlich dieselbe wie immer: Ein mehr oder weniger durchgeknallter Superverbrecher will die Welt erobern oder doch zumindest in ihren Grundfesten erschüttern. Der titelgebende Goldfinger beispielsweise hat vor, die Goldvorräte in Fort Knox radioaktiv zu verseuchen, um dann das Monopol auf das Edelmetall zu besitzen. James Bond kommt ihm rasch auf die Schliche, lässt sich mit allerlei technischen Spielereien und einer schicken Karre ausstatten und macht ihm den Garaus - wobei er zwischenzeitlich sogar Gefahr läuft, von Goldfingers Laser kastriert zu werden.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Sicher wirkt Goldfinger
heutzutage schon ein klein wenig angestaubt. Wer mit der Schnittfrequenz eines Michael Bay aufgewachsen ist, dem kommen die Raufereien, auch die Trickaufnahmen hier bisweilen schon recht künstlich vor. Dennoch hat der Film genug zeitlose Qualitäten in die Waagschale zu werfen, darunter einen echten Evergreen als Titelsong und den wohl charismatischsten Schurken der ganzen Reihe. Gert Fröbe ist ein wunderbarer Fiesling, auch abseits der Haupthandlung. Herrlich ist zum Beispiel sein säuerlicher Gesichtsausdruck, wenn er vor unterdrückter Wut kocht, weil Bond ihm gerade ein getürktes Pokerspiel vermasselt.
Mit Goldfinger
hatte die Reihe ihre bleibende Gestalt gefunden. Die ersten beiden Bond-Abenteuer, Dr. No
(1962) und Liebesgrüße aus Moskau
(1963), tasteten sich bisweilen noch an die spätere Erfolgsformel heran; hier war die Rezeptur dann perfekt: abgrundtief böse Schurken, luftig bekleidete Bond-Gespielinnen, philosophische Exkursionen über die Zubereitung von Martini, halsbrecherische Action, eine kurze Vorsequenz (die stets einen Kurzfilm für sich darstellt) und den unverwechselbaren Trickvorspann mit dem neuesten Bond-Song (auf Shirley Basseys Goldfinger folgten unter anderem noch Tom Jones, Nancy Sinatra, Paul McCartney, noch mal Shirley Bassett, Sheena Easton, Duran Duran, a-ha, Tina Turner, Sheryl Crow, Garbage und Madonna). Auch wenn die folgenden Bond-Filme zunehmend aufwendiger wurden, blieb doch das Duo Connery/Fröbe bis heute im Grunde die unangefochtene Ikone der Reihe.
Abspann: Außer von Connery wurde der smarte Agent mit der Lizenz zum Töten der Reihe nach von George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton, Pierce Brosnan und neuerdings Daniel Craig verkörpert. (Inoffizielle Bonds wie den alten Casino Royal
von 1966 gibt es daneben auch; darin spielte David Niven die Hauptrolle.) Für viele ist Sean Connery immer noch der beste Bond-Darsteller. Solche Vergleiche sind aber insoweit relativ, als mit Daniel Craig und Casino Royal
ein kompletter Neustart eingeläutet wurde.
Die alten Bond-Fans organisierten zunächst weltweiten Protest, da Craig schon äußerlich überhaupt nicht mehr dem Typ des britischen Gentleman entspricht. Er setzte sich dann aber bald bei Kritik und Publikum durch. Die Abkehr von (liebgewonnenen) Klischees zeigte sich auch darin, dass der neue Bond auf die Frage, ob er seinen Martini gerührt oder geschüttelt bevorzuge, schlecht gelaunt antwortet: Seh ich so aus, als ob mich das interessiert?
Das ist nicht der Bond alten Stils, aber mit den letzten Filmen der Brosnan-Ära hatte sich die Reihe mit immer dämlicher werdenden Plots und hanebücheneren Action-Orgien in eine Sackgasse manövriert.