Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Gangsterfilm, USA 1972, USA 1972, Regie: Francis Ford Coppola, Buch: Mario Puzo und Francis Ford Coppola nach dem Roman von Mario Puzo, Kamera: Gordon Willis, Musik: Nino Rota, mit Marlon Brando, Al Pacino, James Caan, Robert Duvall, Talia Shire, Diane Keaton, John Cazale
Inhalt: Zu Beginn der 50er Jahre ist Don Vito Corleone Oberhaupt einer ebenso angesehenen wie kriminellen Familie im Großraum New York/New Jersey. Wenn einer seiner Freunde ein Problem hat, schafft der Don es aus der Welt - gegen kleine Gegenleistungen, versteht sich. So hat er sein Imperium aus Mord und Gewalt aufgebaut, das großzügig mit Prominenz aus Politik, Showbusiness und Wirtschaft verfilzt ist. Widerspenstigen Leuten macht man ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
, zum Beispiel jenem Filmproduzenten, der sich weigert, einen abgehalfterten italienischen Schnulzenfuzzi in einer Bestsellerverfilmung zu besetzen (ein Seitenhieb auf die Karriere Frank Sinatras).
Eines Tages regen die anderen Clans der Region an, ins lukrative Drogengeschäft einzusteigen, aber Don Corleone weigert sich. Daraufhin wird er auf offener Straße niedergeschossen. Im unvermeidlich folgenden Gangsterkrieg müssen nun seine Söhne zeigen, ob sie das Machtvakuum ausfüllen können. Sonny, der Älteste, ist ein Hitzkopf, der mehr seine Libido im Sinn hat und die Fäuste schwingt, wenn er lieber sein Hirn gebrauchen sollte. Fredo dagegen ist ein farbloser Waschlappen, so eine Art Berufssohn. Der besonnene wie mutige Michael, aus dem Zweiten Weltkrieg als Held zurückgekehrt, zeigt das beste Händchen für das Mafiageschäft. Als der alte Don aus dem Krankenhaus zurückkehrt, will er den Krieg beenden, doch am Ende hat Michael das Heft fest in der Hand.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Natürlich ist Der Pate
nicht der einzige wegweisende und stilbildende Gangsterfilm. Aber mehr als die anderen steht er dafür, wie sich ein festgefahrenes Genre neu erfinden lässt.
Seine erste Blütezeit erlebte der amerikanische Gangsterfilm Ende der 1920er Jahre bis etwa 1940. Die Prohibitionszeit hatte allerlei kriminelles Gesocks herangemästet, darunter Gangsterlegenden wie Al Capone. Das spiegelte sich in Filmen wie Underworld
(1927, Josef von Sternberg), Der öffentliche Feind
(1931, William Wellman), Scarface
(1932, Howard Hawks) oder Chicago
(1938, Michael Curtiz). Hauptagierende waren unter anderem James Cagney, George Raft, Edward G. Robinson, Paul Muni und später auch Humphrey Bogart. Damit war dann auch der Brückenschlag zum Film noir
getan, und danach geschah erst einmal stilistisch eine Weile so gut wie gar nichts.
In den 60er Jahren gab Jean-Pierre Melville mit seinen wortkargen und stilisierten Gangsterdramen (siehe Der eiskalte Engel
, 1967) dem Genre neue Impulse, doch erst Coppola trat mit Der Pate
eine neue Welle von Mafiafilmen los. Das lag sicher auch daran, dass er für die damalige Zeit ein gerüttelt Maß an realistisch inszenierter Gewalt präsentierte. Erst Ende der 60er Jahre hatten Regisseure wie Arthur Penn mit Bonnie & Clyde
(1967) und Sam Peckinpah The Wild Bunch
(1968) nach dem Ende der Zensurära deutlich gezeigt, was eine Kugel anrichtet, wenn sie in einem Körper einschlägt (bis dahin ein absolutes Tabu). Doch auch wenn Coppola sicherlich auf die Sensationseffekte von Kugelhagel und Blutgespritze vertraute, lässt sich sein Film doch nicht darauf reduzieren (das besorgten dann die zahllosen Nachahmer).
Gleichwohl taucht die gesellschaftliche Verknüpfung des Verbrechens nur am Rande auf und wird erst in der Fortsetzung von 1974 gründlicher aufgearbeitet. Die Welt der Mafiaclans erscheint, trotz aller Verflechtungen, als gut abgeriegelte eigene Welt mit eigenen Regeln und Gesetzen, die auf ihre verquere Art auf Respekt und Ehre basieren. Damit setzte sich Coppola dem Vorwurf aus, er habe das organisierte Verbrechen geradezu romantisch verklärt. Ganz ungerechtfertigt ist das nicht, aber die Qualität des Films schmälert das nicht.
Die Inszenierung des Dreistundenfilms ist präzise, mit langem Atem und sicherem Gespür für kurze, drastische Höhepunkte. Schon die ersten 20 Minuten mit der Hochzeitsfeier, wenn hinter verschlossenen Türen die Deals klargemacht werden, sind ein kleines Meisterstück für sich. In dunklen Bildern verdichtet Coppola seine Atmosphäre, die über die inzwischen abgenutzten Stereotypen des Film noir
hinausweist und stellenweise mehr Familienchronik ist als reinrassiger Gangsterfilm.
Die Darsteller sind durchweg ausgezeichnet. Für Marlon Brando, der sich eigentlich aus der Topliga Hollywoods schon seit einigen Jahren verabschiedet hatte, wurde der Film zu einem glanzvollen Comeback.
Abspann: Wie immer, wenn ein Film ein Welterfolg wird, blieben Fortsetzungen nicht aus. Coppola selbst inszenierte 1974 den ebenso meisterlichen zweiten Teil, der das Kunststück fertigbringt, gleichzeitig Vorgeschichte und Fortsetzung zu sein. Später schnitt Coppola die beiden Filme zu einem chronologisch erzählten TV-Mehrteiler um. Das war allerdings keine gute Idee, da er insbesondere die originelle Struktur des zweiten Paten zerstörte (und damit dessen Spannungsbogen). Im Jahr 1990 schließlich folgte ein dritter Teil, der Ende der 70er Jahre spielt. Von der Kritik wurde dieses Werk größtenteils verhöhnt, doch soooo furchtbar schlecht ist er nun auch wieder nicht. Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass die grundsätzliche Existenzberechtigung dieses Trilogie-Abschlusses in etwa mit der eines Kropfes konkurriert.