Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Tote schlafen fest (The Big Sleep)
Detektivfilm, USA 1946, Regie: Howard Hawks, Buch: William Faulkner, Leigh Brackett und Jules Furthman nach einem Roman von Raymond Chandler, Musik: Max Steiner, mit Humphrey Bogart, Lauren Bacall, Dorothy Malone, John Ridgley, Martha Vickers, Elisha Cook jr.
Inhalt: Der alternde General Sternwood ist mit zwei schönen, aber charakterlich äußerst unterschiedlichen Töchtern gesegnet. Eine davon wird wegen ihres unkeuschen Lebenswandels gern Opfer von Erpressungen, weshalb Sternwood den Privatdetektiv Philip Marlowe engagiert. Für den sieht die Geschichte nach einem witzlosen Routinefall aus, aber es dauert nicht lange, bis er über die erste Leiche stolpert, und kurz darauf wird auch noch Sternwoods Chauffeur samt Limousine tot aus einem See gefischt. Marlowe hat offenbar unwissentlich in einem Wespennest herumgestochert.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Tote schlafen fest
ist einer der einflussreichsten Kriminalfilme überhaupt. Neben Der Malteser Falke
(1941) von John Huston prägte er wie kein dritter Film den Stil des Film noir und besonders das Image des desillusionierten, raubeinigen Privatschnüfflers im urbanen Dschungel. Und logischerweise lieh in beiden Fällen Humphrey Bogart dieser Gestalt ihr Gesicht. Philip Marlowe ist sicher kein netter Zeitgenosse, aber verglichen mit Sam Spade aus Der Malteser Falke
ist er sicher noch recht umgänglich. Trotzdem bekennt er, auf seine Manieren angesprochen:
I don't mind if you don't like my manners, I don't like them myself. They are pretty bad. I grieve over them on long winter evenings.
(Es ist mir egal, wenn Sie meine Manieren nicht mögen, ich mag sie selbst nicht. Sie sind ziemlich mies. An langen Winterabenden gräme ich mich deswegen.)
Aber er ist damit in bester Gesellschaft, denn alle Figuren der Handlung sind irgendwie korrupt, durchtrieben, hinterlistig, gemein, bösartig oder sonstwie unleidlich. Und während Marlowe sich langsam durch den Fall wühlt und ihn sogar halbwegs aufklärt, bleiben doch einige Fragen offen. Denn Romanautor Raymond Chandler hatte die Vorlage, seinen Erstling, aus mehreren älteren Kurzgeschichten zusammengebastelt, und die Einzelstücke passen nicht immer ganz nahtlos ineinander. Oder im Klartext: Die ganze Story ist hoffnungslos verfranst und verworren. Bis heute weiß kein Mensch, wer zum Teufel den Chauffeur umgebracht hat, nicht einmal die Drehbuchautoren, darunter Literatur-Nobelpreisträger William Faulkner. Die Legende sagt, man habe Raymond Chandler deswegen angerufen, aber der habe letztlich auch nicht durchgeblickt.
Was für beinahe jeden anderen Film einem Todesurteil gleichgekommen wäre, wandelt sich unter der traumhaft sicheren Regie von Howard Hawks zur künstlerischen Qualität. Er soll einmal sinngemäß gesagt haben, wichtiger als die Geschichte sei, dass es in bestimmten Szenen regne.
Neben Haben und Nichthaben
(1944), auch von Howard Hawks, und Gangster in Key Largo
(1948) profitiert auch Tote schlafen fest
ungemein vom Darsteller-Duo Bacall/Bogart, die auch privat ein Paar waren. Die Drehbuchautoren schrieben ihnen brillante Dialoge auf den Leib und ließen sie unter anderem Witze über Bogarts eher bescheidene Körpergröße reißen. Da stimmt dann am Ende alles: Wirres Zeug verzapfen kann zwar jeder, aber daraus einen Klassiker zu zaubern, ist nun wirklich nicht jedem vergönnt.