Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Horror, Italien/USA 1978, Regie: George A. Romero, mit David Emge, Ken Foree, Scott H. Reiniger, Gaylen Ross, David Crawford
Hinweis zur Verfügbarkeit: Normalerweise finden Sie in dieser Reihe immer einen Link auf eine Kauf-DVD. Nun ist das ist Deutschland aber bei FSK-18-Filmen so eine Sache. Produkte für erwachsene Menschen unterliegen hierzulande einem im europäischen Vergleich extrem rigiden Jugendschutz. Zombie
ist hierzulande in der ungekürzten Fassung nach wie vor indiziert und - nette Formulierung im offiziellen Jargon: - bundesweit beschlagnahmt
. Demzufolge ist der Film im deutschen Versandhandel nur in einer stark gekürzten Fassung erhältlich, von der dringend abzuraten ist. Aber Filmfans wissen schon, wo sie das Werk unzensiert bestellen können …
Intro: Zombiefilme sind keine Erfindung der jüngeren Filmgeschichte. Basierend auf karibischen Legenden von gefährlichen Untoten gab es bereits im frühen Tonfilm mit White Zombie
(1932, Regie: Victor Halperin) und später mit dem faszinierend poetischen Ich folgte einem Zombie
(1943, Regie: Jacques Tourneur) Leinwand-Adaptionen dieser Horrorvariante.
Mit dem modernen Zombie-Film mit seinen typischen Splatter- und Kannibalismus-Szenen hatten diese Filme natürlich nichts gemeinsam. Es bedurfte erst der Lockerung der Filmzensur in den westlichen Ländern (Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre), bis der Zombie seine heutige Gestalt annahm: eine mit leerem Blick und leicht angefleddert herumziehende Kreatur mit Appetit auf Menschenfleisch.
Inhalt: Aus ihrer karibischen Heimat haben sich die Hirntoten im modernen Horrorkino indes längst verabschiedet. Eine gewaltige Zombie-Epidemie hat die USA ins Chaos gestürzt. Wer gebissen wird, ist unrettbar verloren. Vier Menschen können sich in einem leeren Einkaufszentrum verschanzen. Das geht eine Weile lang gut, bis eines Tages eine Rockerbande auftaucht. Zuerst machen sie sich einen Spaß daraus, die Läden zu plündern und die Zombies über den Haufen zu schießen, aber die Sache geht natürlich schief. Von den Untoten dezimiert, ziehen sie schließlich Leine, und nun geht es auch den restlichen Überlebenden an den Kragen.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Dawn of the Dead
war nicht George A. Romeros erster Ausflug ins Zombie-Land. Mit Die Nacht der lebenden Toten
hatte er das Subgenre 1968 sozusagen aus der Taufe gehoben und dem Leinwandhorror einen neuen Impuls verschafft. Das war auch bitter nötig, denn die gefühlte tausendste Dracula-Verwurstung aus den Hammer-Studios und hingeschluderter C-Trash aus Italien glänzten nicht gerade durch Mut zur Innovation.
In den 70er Jahren wurde dann vor allem aus Südeuropa die Kombination aus Kannibalen, Sadismus und Titten sehr gepflegt, und bis zum eigentlichen Dammbruch der Zombiefilme dauerte es noch eine Weile. Mit Dawn of the Dead
warf Romero 1978 dann den fulminanten zweiten Teil seiner Trilogie hin.
In den USA wurde die Qualität dieses Meilensteins sofort erkannt. Die erdrückende Mehrzahl der Kritiker pries Romeros Geschick für grauenhafte Atmosphäre, seinen virtuosen Umgang mit Schockeffekten und - natürlich! - auch die sozialkritische Dimension des Stoffes. Es ist ja kein Zufall, dass die Geschichte in weiten Teilen in einem Kauftempel der Extraklasse spielt. So wurde der Zombie zur Metapher für den dahinvegetierenden, gedankenlosen Konsum-Menschen.
Dagegen blamierte sich die deutsche Filmkritik überwiegend bis auf die Knochen, indem sie - mal wieder - einzig und allein auf den Splatter-Effekten herumritt und das Werk folgerichtig verteufelte. Besonders peinlich ist jene Kritik aus dem katholischen film-dienst, worin Romero gar eine faschistoide Herrenmenschenideologie attestiert wird. Man sieht also: Die Nazikeule wurde auch vor über 30 Jahren schon gern geschwungen. Zur Ehrenrettung des film-dienst sei gesagt, dass dieselbe Redaktion später im Lexikon des Internationalen Films diesen Unsinn nicht mehr nachgedruckt und durch eine weitaus kompetentere Kritik ersetzt hat.
Sicher ist, dass Romero natürlich mit den unappetitlichen Aspekten des Themas nicht gerade hinterm Berg hält. Doch verglichen mit dem Mainstream-Sadismus, den Hollywood seit einigen Jahren in Gestalt der Hostel
- und Saw
-Filme auskotzt, ist das doch eher harmlos und, was noch wichtiger ist, in einen Zusammenhang eingebettet. Damit steht Romeros Film ziemlich allein auf weiter Flur da, denn meist frönt die große Eingeweideschau im Zombiekino dann doch nur dem Selbstzweck.
Abspann: Wie üblich bei Filmen, die den Geschmack unterbeschäftigter Medienpädagogen verfehlen, existieren auch von Dawn of the Dead
etliche verschiedene Fassungen. Ob es nun unbedingt der 155minütige Extended Cut sein muss, sei dahingestellt, doch der Interessent tut gut daran, sich vorher schlau zu machen, ob er am Ende nicht eine der zahlreichen Schrottversionen ersteht. Die deutsche DVD gehört eh unbesehen in die Tonne.
Wie zu erwarten, fand Dawn of the Dead
etliche Nachahmer, vom billigen italienischen Rip-Off bis hin zum teuren Hollywood-Remake (2004), womit sich zeigt, dass Romeros Film inzwischen vollkommen im Mainstream angekommen und aufgegangen ist. Die meisten Aufgüsse des Themas sind billiger Schrott. Unter den intelligenten Fortspinnungen seien noch Peter Jacksons (hierzulande natürlich beschlagnahmter) Braindead
(1992) erwähnt, sowie der britische Shawn of the Dead
(2003). Diese intelligente Neuinterpretation ist nicht (wie manche glauben) eine Parodie, sondern ganz im Gegenteil eine Hommage, die Romeros Ideen konsequent ins 21. Jahrhundert fortspinnt und noch deutlicher als satirische Gesellschaftsanalyse funktioniert.