Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
(Thriller, GB 1949, Regie: Carol Reed, Buch: Graham Greene, Kamera: Robert Krasker, Musik: Anton Karas, mit Joseph Cotten, Alida Valli, Orson Welles, Trevor Howard, Wilfrid Hyde-White, Paul Hörbiger, Annie Rosar, Ernst Deutsch, Erich Ponto, Siegfried Breuer, Bernard Lee, Hedwig Bleibtreu, s/w)
Inhalt: Wien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: Der amerikanische Schriftsteller Martins (Cotten) kommt zur Beerdigung seines Freundes Harry Lime (Welles), der angeblich einem Autounfall zum Opfer fiel. Bei der internationalen Besatzungspolizei trauert niemand um Lime, der in Penicillin-Schieberei verwickelt war. Martins stellt Nachforschungen an und stellt schnell fest, dass an dem angeblichen Unfall einiges faul ist. Außerdem verguckt er sich in Limes Freundin (Valli), die Schwierigkeiten wegen ihres gefälschten Passes hat. Als sich herausstellt, dass Lime noch lebt und nur untergetaucht ist, soll Martins dem Militärpolizisten Calloway helfen, seinen alten Kumpel zu stellen. Das stürzt ihn in einen schweren Gewissenskonflikt.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Regisseur Reed nutzte die Zeitgeschichte in seinem Thriller nicht allein als Hintergrund, er bindet sie auch geschickt in die Handlung ein. Aber das ist nicht allein sein Verdienst; unter weniger glücklichen Umständen wäre dies vielleicht nur ein durchschnittlicher Krimi geworden. Doch Reed konnte er sich vor wie hinter der Kamera auf durchweg erstklassiges Personal verlassen. Das ausgezeichnete Drehbuch schrieb Graham Greene (jedenfalls das meiste davon); und Kameramann Krasker fing die Stimmung in kontrastreichen Licht-Schatten-Kompositionen ein, oft mit verkippter Kamera und sicherem Gespür für dramatische Bildwirkung, vor allem im nächtlichen Wien und natürlich am Ende in der Kanalisation.
Die Besetzung ist durch die Bank erstklassig. Aber Orson Welles reißt beinahe den ganzen Film an sich, obwohl er relativ selten im Bild ist und erst nach einer guten Stunde seinen ersten Auftritt hat. Berühmt wurde die von Welles selbst verfasste Kuckucksuhr-Rede am Riesenrad im Prater:
In Italy, for thirty years under the Borgias, they had warfare, terror, murder, bloodshed — they produced Michelangelo, Leonardo da Vinci and the Renaissance. In Switzerland, they had brotherly love, five hundred years of democracy and peace, and what did that produce? The cuckoo clock.
Reizvoll sind auch die zahlreichen Auftritte deutschsprachiger Stars wie Paul Hörbiger oder Erich Ponto. Was indes zu einem kleinen Problem führt: Wer immer die Möglichkeit hat, sollte unbedingt auf eine untertitelte Fassung zurückgreifen, denn in der Synchronisation geht die Zweisprachigkeit natürlich komplett verloren - und damit ein großer Teil der Atmosphäre. (In der Rolle von Annas Vermieterin ist übrigens die Urgroßmutter von Moritz Bleibtreu zu sehen.)
Und wie könnte man "Der dritte Mann" vorstellen, ohne ein Wort über die Musik von Anton Karas zu verlieren? Reed hatte den Geistesblitz, auf den üblichen Orchester-Soundtrack zu verzichten und setzte statt dessen ausschließlich auf solistische Zithermusik. Die Titelmelodie, leitmotivisch als "Harry Lime Thema" mehrfach im Film zu hören, wurde ein Welterfolg (und zum Fluch für den Komponisten, der danach nur noch auf dieses eine Stück reduziert wurde).