Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
(Kriminalfilm/Drama, Frankreich 1959, Regie: Robert Bresson, mit Martin LaSalle, Marika Green, Jean Pélégri, Dolly Scal, Pierre Leymarie, Kassagi, Pierre Étaix, s/w)
Inhalt: Michel (rechts) ist der Ansicht, dass Leute mit besonderen Fähigkeiten sich nicht groß an Banalitäten wie das Gesetz halten müssen. Und sein Geschick ist der Taschendiebstahl. Mit äußerster Fingerfertigkeit und großem Einfallsreichtum knöpft er Passanten und U-Bahn-Fahrgästen ihre Brieftaschen, Uhren und Handtaschen ab. Aber ein Polizist hat ihn schon auf dem Kieker …
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Das Adjektiv, das am häufigsten im Zusammenhang mit Filmen von Robert Bresson fällt, ist karg, und zwar mit vollem Recht. Bei ihm gibt es keine unnötigen Abschweifungen, keine Schauwerte, nicht einmal schauspielerische Kabinettstückchen. Im Gegenteil: Bresson fordert von seinen Darstellern möglichst emotionsloses Sprechen und Minimalmimik. Die Kamera begnügt sich damit, das Geschehen ebenso kühl wie sachlich einzufangen. Mit beinahe dokumentarischer Strenge beobachtet sie Michel dabei, wie er Tricks einstudiert und wenig später auf der Straße, an der Pferderennbahn oder am Bahnhof umsetzt. Dazu zählen auch und besonders die Szenen, wo er mit seinen Komplizen im Team arbeitet und das Angeln von Brieftaschen zu einer Art Geschicklichkeitssport wird.
Doch Bresson beschränkt sich nicht darauf, die kalte Präzision und Virtuosität seines Antihelden vorzuführen; es ist auch eine Studie charakterlichen Scheiterns mit folgender Läuterung. Diese Geschichte ist mehr oder weniger inspiriert von Fjodor Dostojewskijs psychologischem Roman Schuld und Sühne
(auch Verbrechen und Strafe
betitelt, je nach Übersetzung, wobei es da noch um kaltblütigen Mord ging, nicht um Taschendiebstahl). Doch so hinreißend, wie Bresson das hier inszeniert (und das mit minimalem Aufwand), ist das vermeintliche Bagatelldelikt spannender als die meisten bluttriefenden Mordgeschichten.