Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Der eiskalte Engel (Le Samouraï)
Gangsterfilm, Frankreich/Italien 1967, Regie: Jean-Pierre Melville, Kamera: Henri Decaë, mit Alain Delon, François Périer, Nathalie Delon, Cathy Rosier
Intro: Jean-Pierre Melvilles Le Samouraï
verdient sicherlich einen Preis für den irreführendsten Filmtitel. Von Schwertkampf und Harakiri fehlt jede Spur, und im Zentrum steht ein perfektionistischer Profikiller. Der Titel überforderte den deutschen Verleih dermaßen, dass dieses stilbildende Werk hierzulande bis heute unter dem beinahe ebenso irreführenden, aber weitaus dämlicheren Titel Der eiskalte Engel
bekannt ist. Das lässt eher - und mit gutem Recht - an Teenie-Komödien
denken. Der seltsame Titel wird aber schon im Vorspann erklärt, denn da steht als Motto:
Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samurai, es sei denn die des Tigers im Dschungel.
Inhalt: Einsam ist Profikiller Jeff Costello ganz sicher. Er lebt in einer schmucklosen Wohnung mit Piepmatz und vollstreckt seine Aufträge mit nüchterner Präzision. Als er eines Nachts einen Clubbesitzer umnietet, wird er von der Barpianistin erkannt. Ein hartnäckiger Bulle heftet sich an seine Fersen und zieht die Schlinge langsam zu.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Berühmt in Melvilles Gangsterfilm wurde vor allem die erste Viertelstunde. Sie zeigt beinahe wortlos, wie sich Costello von daheim aufmacht, einen Wagen stiehlt (natürlich einen Citroën DS), sich ein Alibi verschafft und schließlich den Auftragsmord begeht. Dabei ist Melvilles Costello im Grunde eine Karikatur seiner selbst: Mit Trenchcoat und Hut wirkt er einem doch recht billigen Film noir entstiegen, und das ist volle Absicht. Delons Killer wurde so zur absoluten Ikone des Euro-Gangsterfilms, dessen Erscheinungsbild immer wieder zitiert wurde.
Spannung erzeugt Melville wie eigentlich immer nicht aus Tempo und Action, sondern aus bewusster Verzögerung und visueller Kargheit, die einem strengen Anti-Hollywood-Konzept folgt und dabei alles Nebensächliche ausklammert. Dieser manchmal geradezu minimalistische Stil findet sich auch in anderen Filmen Melvilles, doch wohl in keinem so klar ausformuliert wie hier. Melville findet für die Isolation seines Antihelden immer das stimmige Bild, und so erklärt sich im Grunde auch bald der etwas seltsame Originaltitel: Costello ist einerseits der einsame Samourai, doch genauso gut ist er der Tiger im Großstadt-Dschungel, der schließlich vom Jäger zum Gejagten wird.
Abspann: Viele Regisseure betrachten es als Auszeichnung, wenn eines Tages Hollywood bei ihnen anruft und einen Job anbietet. Für manche ist das tatsächlich ein Karrieresprung, andere dagegen kommen mit den geänderten Produktionsbedingungen überhaupt nicht klar und versauern. Jean-Pierre Melville lehnte deshalb zeit seines Lebens sämtliche Angebote aus Amerika ab und drehte bis zu seinem relativ frühen Tod (1973 im Alter von 55 Jahren) ausschließlich in seiner Heimat.
Hinweis zur Verfügbarkeit: Beschämenderweise ist Melvilles Klassiker bis jetzt in Deutschland nicht auf DVD lieferbar.