Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Bergdrama, Deutschland 1929, Regie: Arnold Fanck und Georg Wilhelm Pabst,
Kamera: Sepp Allgeier, Richard Angst, Hans Schneeberger, mit Gustav Diessl, Ernst Petersen, Leni Riefenstahl, Otto Spring, Ernst Udet
Inhalt: Vor Jahren stürzte die Frau des Bergsteigers Dr Johannes Krafft am Piz Palü in eine Gletscherspalte und kam dabei um. Seitdem macht er sich Vorwürfe. Mehrfach hat er bereits vergeblich versucht, die Nordwand des Berges allein zu erklimmen. Eines Tages trifft er in einer Berghütte das frisch verheiratete Paar Maria und Hans; die beiden haben dasselbe Ansinnen. Maria findet durchaus Gefallen an dem melancholischen Dr Krafft, was ihrem Gatten nicht entgeht und zunehmend zu seiner Verstimmung beiträgt. Bei dem folgenden Bergtrip erweist sich Hans aus Trotz als beratungsresistent und stürzt ab. Krafft kann ihn halten, verletzt sich dabei jedoch so schwer, dass an Rückkehr nicht zu denken ist. Eine dramatische Rettungsaktion beginnt.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Die weiße Hölle vom Piz Palü
ist sicherlich der Höhepunkt des deutschen Bergfilms, der um 1930 herum in reicher Blüte stand. Arnold Fanck hatte bereits 1926 mit Leni Riefenstahl (und Bergfex Luis Trenker) das visuell bestechende, aber etwas schwerfällige Drama Der heilige Berg
inszeniert und dabei seine Vorliebe für bildgewaltige Naturfotografie zelebriert. Was das angeht, setzt er im Piz Palü
noch einen drauf, nur dass die eigentliche Handlung und die Zeichnung der Personen weitaus glücklicher geriet.
Das ist der Mitarbeit seines Co-Regisseurs Pabst zu verdanken, der seinerzeit zu den meistbeschäftigten und zuverlässigsten deutschen Filmemachern zählte. Auf sein Konto geht unter anderem Die freudlose Gasse
(1925) mit der noch ganz jungen Greta Garbo, das Grubenunglücksdrama Kameradschaft
(1931) oder auch der Antikriegsfilm Westfront 1918
. Pabst kümmerte sich um die Innenaufnahmen und überließ Fanck das leinwandwirksame Einfangen von Lawinen, Stürmen und all dem Zeug.
Diese Arbeitsteilung erwies sich als außerordentlich fruchtbar, da der Film auf beiden Ebenen funktioniert. Mit seinen realistischen Bildern von Naturgewalten, auch den großartigen Landschaftsaufnahmen weiß er von Beginn an zu fesseln, auch heute noch.
Der Film wurde auf Anhieb ein Erfolg, auch im Ausland. Doch damit begannen auch die Probleme. Denn als Piz Palü
im Herbst 1929 als einer der letzten großen Stummfilme auf den Markt kam, hatte international bereits der Tonfilm seinen Siegeszug angetreten. Bereits 1930 wurde eine englische Tonfassung hergestellt. Schlimmer war allerdings, was dem Film 1935 in Deutschland widerfuhr. Auch hier bekam er eine Tonspur verpasst, aber gleichzeitig wurde er großzügig gekürzt. Den neuen Machthabern missfiel die Nebenrolle des inzwischen ausgewanderten jüdischen Darstellers Kurt Gerron.
Jahrzehntelang existierte von Fancks und Pabsts Meisterwerk nur noch diese verballhornte Version, bis 1996 schließlich noch eine vollständige Kopie der stummen Originalfassung entdeckt wurde. Sie macht deutlich, was im Rahmen dieser Reihe auch an anderer Stelle schon über die Kunstfertigkeit des späten Stummfilms gesagt wurde: Als eigenständige Kunstform hatte dieser eine Virtuosität erreicht, die jeglichen Dialog im Grunde verzichtbar machte. Wirklich stumm wurden diese Filme natürlich nie gezeigt, und eine effektvolle Musikbegleitung war damals schon unverzichtbar.
Abspann: Das Team Fanck/Riefenstahl/Diessl/Udet arbeitete einige Jahre später im Tonfilm erneut zusammen. Diesmal verschlug es sie nach Grönland, wo sie zusammen den Abenteuerfilm SOS Eisberg
drehten. Leni Riefenstahl ließ sich anschließend mit den Nazis ein und wurde zur Vorzeige-Regisseurin des parteitreuen Propagandafilms.