Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Heaven's Gate - Das Tor zum Himmel (Heaven's Gate)
Western, USA 1980, Regie: Michael Cimino, Kamera: Vilmos Zsigmond, mit Kris Kristofferson, Christopher Walken, John Hurt, Sam Waterston, Brad Dourif, Isabelle Huppert, Joseph Cotten, Jeff Bridges
Intro: Längst nicht alle Filme dieser 100-Filme-Reihe waren von Anfang an die super Kassenhits, eher im Gegenteil. Aber selbst in der Liga der Kommerzflops genießt Heaven's Gate
von Michael Cimino Sonderstatus: Selten ist ein Film dies- und jenseits des Atlantik unterschiedlicher beurteilt worden, und keinem anderen (außer vielleicht Elaine Mays Ishtar
) haftet so hartnäckig der Ruf an, größter Rohrkrepierer der Kinogeschichte gewesen zu sein.
Dabei war im Vorfeld eigentlich alles auf Erfolg programmiert: Michael Cimino galt als hoffnungsvolles Nachwuchstalent und hatte mit seinem vorangegangenen Werk, dem Vietnam-Epos Die durch die Hölle gehen
, fünf Oscars abgeräumt. Bei seinem nächsten Projekt, Heaven's Gate
, konnte er deshalb mehr oder weniger treiben, was er wollte. Doch seine schwermütige und pessimistische Abrechnung mit den güldenen Gründerzeiten von God's Own Nation war kaum das, was die Studiobosse sich von dem gefeierten Jung-Genie versprochen hatten.
Inhalt: Im Jahr 1891 treffen sich Averill und Irvine, zwei ehemalige Studienfreunde aus Harvard, im tiefsten Westen wieder. Der eine ist inzwischen Sheriff, der andere Viehzüchter. Gleichzeitig strömen zahllose Einwanderer aus Osteuropa ins Land, die aber nach Meinung der Rinderbarone eher überflüssig sind. Sie heuern einen Killer an, der für ein Kopfgeld die Leute der Reihe nach einfach abknallen soll. Die Siedler aber organisieren Widerstand, dem sich schließlich auch Averill anschließt.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Schon in der Produktionsphase sorgte Michael Ciminos Epos für Schlagzeilen. Sein Budget überzog der Regisseur mit dem Nimbus des Shooting Stars ganz unbekümmert um ein Vielfaches, sodass es für die Produktionsgesellschaft United Artists buchstäblich um Sein oder Nichtsein ging. Zudem war das, was Cimino da trieb, nicht unbedingt angetan, gegen damalige Mega-Budget-Hits wie Superman
oder Star Wars
anzustinken; ganz im Gegenteil.
Heaven's Gate
ist nicht unbedingt das, was man einen hektischen Film nennen könnte. Es lässt sich viel Zeit und entwickelt seine Geschichte und Charaktere mit manchmal schon pathologischer Detailbesessenheit. Der schließlich gut dreieinhalb Stunden lange Film fordert seinem Publikum also schon einiges an Geduld ab, und hinzu kommt, dass am Ende noch nicht einmal ein freundliches Feel-good-Ende mit der deprimierenden Perspektive versöhnt.
Das kam einfach nicht an. Nach ersten negativen Besprechungen bekamen bei United Artists einige Leute Panik und reagierten wie üblich: Das Werk wurde radikal zusammengekürzt, geradezu massakriert. Eine 150-Minuten-Fassung ruinierte den wohlkalkulierten langsamen Rhythmus völlig und wirkte so unorganisch, dass sie erst recht Verrisse erntete, zumal die Handlung offensichtlich gar keinen Sinn mehr ergab. Der Film verschwand daraufhin schnell in den Archiven und die finanziell schwer angeschlagene Firma United Artists wurde verscherbelt.
Nun hatte der Film seinen Ruf weg, aber es dauerte nicht lange, bis in Europa die Originalfassung kursierte und in den Feuilletons umgehend als Meisterwerk gefeiert wurde. In der Tat nutzt Cimino die gewaltigen Produktionsmittel nicht für vordergründiges Spektakel, obwohl es an Schauwerten nicht mangelt. Daneben steht aber auch ein geradezu quälender Realismus bei der Schilderung des elenden Einwandererlebens, und grandiose Schlachtszenen werden mit stillen poetischen Momenten kontrastiert. Das ist in der ungekürzten Version organisch verwoben und braucht, wie bei allen guten Filmen, eben Zeit zum Atmen. Und Kameramann Zsigmond fing dies in atemberaubenden Bildern ein.
Abspann: In den USA ist Ciminos Film bis heute nicht rehabilitiert, in sämtlichen wichtigen Filmführern und -lexika wird er teils höhnisch niedergemacht und mit niedrigen Wertungen abgestraft. Leonard Maltin beispielsweise schreibt (über die gekürzte Fassung!):
Cimino's now-notorious spectacle is missing just one thing: a story.
Ja, wenn man nur den halben Film gesehen hat, bleibt dieser Eindruck nicht aus.
Ciminos Karriere war nach diesem Desaster zwar noch nicht ganz erledigt, doch nie wieder gelang es ihm, an den Erfolg seines Vorgängers Die durch die Hölle gehen
anzuknüpfen. Nach einigen weiteren kommerziellen und später auch künstlerischen Enttäuschungen verschwand er etwa zehn Jahre später in der Versenkung, aus der er 1996 mit dem Misserfolg The Sunchaser
nur kurz wieder auftauchte.