Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Apus Weg ins Leben I - Auf der Straße (Pather Panchali)
(Drama, Indien 1955, Regie: Satyajit Ray, Musik: Ravi Shankar, mit Subir Bannerjee, Kanu Bannerjee, Karuna Bannerjee, Uma Das Gupta, Chunibala Devi, Runki Banerjee, Reba Devi, Aparna Devi, s/w)
Intro: Die indische Filmindustrie ist rein ausstoßmäßig die produktivste der Welt. Typisch für Produkionen aus Bollywood sind kunterbunte, familienfreundliche Singspiele, deren Laufzeit gern über drei Stunden liegt. Kein Wunder, dass nur wenig davon den indischen Binnenmarkt verlässt, auch wenn in den letzten Jahren immer mal wieder Bollywood-Filme in unseren DVD-Regalen auftauchen. Aber nicht jeder indische Film ist automatisch gleich Bollywood. Satyajit Rays Trilogie Apus Weg ins Leben
, die auch international große Beachtung fand, ist aus anderem Holz geschnitzt und gilt heute als der Klassiker des indischen Kinos. Er beschreibt darin Kindheit und Jugend eines aus ärmlichsten Verhältnissen stammenden Jungen etwa im Zeitraum zwischen 1910 und 1930.
Inhalt: Bengalen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Die junge Mutter Sarbajaya und ihr Mann Harihar leben mit ihren Kindern Apu und Durga in bitterer Armut. Der Vater ist ein nichtsnutziger Traumtänzer, der sich als großer Bühnenautor sieht und doch nichts auf die Reihe bringt. Es obliegt der resoluten Mutter, irgendwie immer die Reistöpfe zu füllen und nebenbei eine mindestens 150 Jahre alte zahnlose Tante mit durchzufüttern (unvergesslich: Chunibala Devi, die leider noch vor der Uraufführung des Films verstarb). Eines Tages bequemt sich Harihar doch, in der Stadt einen Job zu suchen, worauf er monatelang nichts von sich hören lässt. Als er endlich unerwartet mit Geld und Geschenken zurückkehrt, ist es zu spät: Die Not hat bereits ein Opfer gefordert.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Rays mit wenig Geld, aber viel Enthusiasmus gedrehtes Regiedebüt ist einem heutigen Publikum, das mit banalen romantischen Komödien
oder bombastischen Effektspektakeln aufgewachsen ist, sicher nicht so ohne weiteres näherzubringen. Denn Ray lässt es langsam angehen, erzählt seine Geschichte in ruhig fließenden Bildern und präzisem Blick fürs Detail, worin sich unübersehbar der Einfluss Vittorio De Sicas und Jean Renoirs spiegelt.
Ganz im Gefolge seiner Meister erweist Ray sich bei allem Realismus nicht als dröger Beobachter, der nur platt die Bilder aneinanderreiht. Die sorgsam komponierten Schwarzweißbilder der lichtdurchfluteten Wälder und Wiesen sind oft von dezenter Poesie, manchmal geradezu leicht und heiter, und trotz der allgegenwärtigen drückenden Armut und des tragischen Endes ist der Ton nie weinerlich-larmoyant. Gerade in seiner unaufdringlichen Warmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit beweist der Film bleibende Qualitäten.
Abspann: 1956 folgte Teil 2 der Trilogie, Der Unbesiegbare
(Aparajito), 1959 Teil 3, Apus Welt
(Apur Sansar). Auch sie wurden international viel beachtet. 1992, kurz vor seinem Tod, erhielt Ray den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. In der Begründung hieß es:
For his rare mastery of the art of motion pictures and for his profound humanitarian outlook, which has had an indelible influence on filmmakers and audiences throughout the world.
Ausführliche Seite über Leben und Werk Rays (englisch)