Autor:
Giovanni Cortese
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Dieser Text ist Teil meiner Reihe mit 100 bedeutsamen Werken der Filmgeschichte. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, lesen Sie bitte zunächst den kurzen Einführungstext; da erkläre ich etwas genauer, was das hier soll.
Asche und Diamant (Popiół i diament)
Drama, Polen 1958, Regie: Andrzej Wajda, Buch: Jerzy Andrzejewski und Andrzej Wajda nach dem gleichnamigen Roman von Jerzy Andrzejewski, Musik: Filip Nowak und Michał Kleofas Ogiński, Kamera: Jerzy Wójcik, mit Zbigniew Cybulski, Ewa Krzyżewska, Wacław Zastrzeżyński, Adam Pawlikowski, Bogumił Kobiela, Jan Ciecierski, Stanisław Milski
Inhalt: Es ist der 8. Mai 1945: Tag der deutschen Kapitulation. Polen ist zwar schon aus der Nazigewalt befreit, dafür übernehmen nun die Stalinisten das Ruder. Maciek und Andrzej arbeiten als Attentäter für die Polnische Heimatarmee. An diesem geschichtsträchtigen Tag sollen sie den kommunistischen Parteisekretär Szczuka umnieten. Aber sie erwischen das falsche Auto und töten zwei harmlose Arbeiter.
Als sie nach ihrer Rückkehr in die kleine Provinzstadt von ihrem Missgeschick erfahren, reagieren sie sehr unterschiedlich darauf. Besonders in Maciek werden Zweifel am Sinn seines ganzen Widerstandkampfes wach. Er stürzt sich Hals über Kopf in eine Affäre mit einem hübschen Barmädchen und da Szczuka im selben Hotel nächtigt, nimmt Maciek den Gelegenheit wahr, sein Versagen auszubügeln.
Filmhistorisch bedeutsam, weil: Dreh- und Angelpunkt des Films ist Maciek, der durch die vitale Darstellung des früh verstorbenen Zbigniew Cybulskis seinen festen Platz in der Filmgeschichte hat. Er wurde oft und gern mit anderen Darstellern jugendlicher Rebellen verglichen, allen voran natürlich James Dean (obwohl das arg hinkt). Sein Auftreten ist einerseits cool (nie ohne Sonnenbrille), andererseits immer von exisistenzialistischen Grübeleien zerfressen.
Dass Macieks Ziel die neuen kommunistischen Machthaber sind, muss zunächst überraschen, denn Wajdas Film entstand schließlich hinter dem Eisernen Vorhang. Zu Stalins Zeiten wäre so etwas ganz und gar undenkbar gewesen. Doch um 1956 hatte eine moderate Liberalisierung eingesetzt, die den polnischen Filmemachern ein wenig mehr Spielraum ließ, und Wajda nutzte ihn. Dabei behandelt er sein schwergewichtiges Thema durchaus nicht nur bierernst; es bleibt auch Platz für ironische Distanz.
Doch wie bei jedem Klassiker gilt auch hier: Nicht allein das Thema macht Asche und Diamant
sehenswert. Auch die formale Gestaltung ist vorzüglich. Jerzy Wójciks Schwarzweißphotographie bleibt durch einprägsame Bilder noch lange im Gedächtnis, zum Beispiel die kopfüber herunterhängende Jesus-Figur oder die Theke mit den brennenden Wodkagläsern oder überhaupt das kunstvolle Spiel mit Licht und Schatten.
Darüber hinaus ist Asche und Diamant
gerade für heutige Zuschauer, die in Frieden und Überfluss aufgewachsen sind, ein Dokument von bleibendem Wert: Maciek steht, wie auch Regisseur Wajda selbst, für eine verlorene Generation
, die ständig vom Regen in die Traufe kommt, einerseits nicht untätig zusehen will, andererseits aber von quälenden Sinnfragen aufgerieben wird. Am Ende sind Attentäter Maciek und sein Opfer Szczuka sich ähnlicher, als man zunächst glaubt. Auch der Parteibonze hat eine Vergangenheit als Widerstandskämpfer, und vor nicht allzu langer Zeit hatte man sogar noch denselben Feind. Kein Wunder, dass da keiner mehr blickt, was Recht und Unrecht ist.
Asche und Diamant
ist ein klarer Film über unklare Verhältnisse. So was könnten wir heute auch mal wieder gebrauchen.